Die Kleinbürger (German Edition)
einigen freundlichen Worten und einer Umarmung wurde der Zwist, bei dem die arme Celeste alle Kriegskosten zu tragen hatte, beigelegt.
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Nach dem Diner im Familienkreise ließ sich der Notar, zu dem man am nächsten Tage sich ohne weitere Feierlichkeit begeben wollte – denn eine zweite Auflage der verunglückten Soiree war nicht möglich –, bei Fräulein Thuillier melden. Der Beamte war gekommen, um den Beteiligten den Entwurf des Kontraktes zu unterbreiten, bevor er die Reinschrift fertigen ließ. Diese Aufmerksamkeit war erklärlich bei einem Manne, der zu einer so wichtigen Persönlichkeit wie Thuillier in Beziehungen trat, und der nichts versäumen wollte, um ihn als ständigen Klienten zu bekommen.
La Peyrade war zu klug, um den Anschein zu erwecken, als schenke er der Vorlesung irgendwelche Aufmerksamkeit. An einigen von Brigitte verlangten Änderungen, die dem Notar einen hohen Begriff von den Fähigkeiten der alten Jungfer in bezug auf Geschäftsangelegenheiten beibrachten, konnte der Provenzale leicht erkennen, daß man ihm gegenüber ein wenig mehr Vorsichtsmaßregeln traf, als anständig war, aber er wollte keine Schwierigkeiten machen; er wußte, daß die Maschen eines Kontraktes niemals so eng sind, daß nicht ein entschlossener kluger Mann hindurchzuschlüpfen vermöchte; es wurde dann die Zusammenkunft im Notariatsbureau auf den nächsten Tag um zwei Uhr verabredet, wo nur die Familie zugegen sein sollte.
Während des Abends trieb la Peyrade, indem er die entgegenkommende Haltung, die er Celeste angeraten hatte und die sie, so gut sie konnte, zeigte, gewissermaßen sein Spiel mit dem armen Mädchen und zwang sie, indem er warme Dankbarkeit und beglückte Liebe heuchelte, ihm in einem Tone zu antworten, der himmelweit von dem wahren Empfinden ihres Herzens entfernt war, das Felix Phellion ganz und gar ausfüllte.
Als Flavia den Provenzalen so alle seine Verführungskünste entwickeln sah, mußte sie an die Art denken, mit der er sich einst bemühte, sie zu umgarnen. »Dieses Ungeheuer!« sagte sie ganz leise vor sich hin; aber sie mußte trotz ihrer Qual ein freundliches Gesicht zeigen, und einen Augenblick später gab ein von la Peyrade dem Hause Thuillier anscheinend geleisteter wichtiger Dienst seinem Einfluß und seinem Ansehen die letzte Weihe.
Minard wurde jetzt gemeldet.
»Meine lieben Freunde,« sagte er beim Hereintreten, »ich komme, um Ihnen eine kleine Eröffnung zu machen, die Sie sicherlich überraschen wird, und die uns allen eine Lehre ist, wie vorsichtig man mit der Einführung von Fremden bei sich sein soll.«
»Wieso denn?« fragte Brigitte neugierig.
»Diese Ungarin, von der Sie so begeistert waren, diese Frau Torna, Gräfin von Godollo ...«
»Nun, und?« bemerkte die alte Jungfer.
»Nun,« fuhr Minard fort, »die ist nichts von alledem, und Sie haben zwei Monate lang ein ganz gemeines ausgehaltenes Frauenzimmer auf jede Weise verhätschelt.«
»Wer hat Ihnen denn das erzählt?« fragte Brigitte, die nicht so leicht zugeben wollte, daß sie so zum Narren gehalten worden war.
»Man hat mir das nicht erzählt,« antwortete der Bürgermeister, »ich habe mich selbst davon überzeugt, de visu.«
»Was? Sie verkehren also mit ausgehaltenen Frauenzimmern?« sagte Brigitte, die ihrerseits zum Angriff überging. »Das ist ja reizend, wenn das Zélie wüßte!«
»Nicht er verkehrt mit ihnen,« bemerkte Thuillier schlau, »sondern sein Herr Sohn, von dem wir nette Sachen erfahren haben!«
»Jawohl,« sagte Minard, ärgerlich über die Art, wie seine Neuigkeit aufgenommen wurde; »da dieser Bursche die Keckheit gehabt hat, Ihnen seine Komödiantin zu empfehlen, brauche ich Ihnen ja nichts mehr zu verschweigen. Herr Julian brüstet sich in der Tat damit, daß er eine Schauspielerin von einem kleinen Theater aushält, und in Gesellschaft dieses Geschöpfs habe ich ›Ihre Freundin‹, Frau von Godollo, getroffen. Ich denke, daß ich mich klar ausdrücke und daß danach Zweifel nicht mehr möglich sind.«
»Für Sie mag das klar sein,« entgegnete Brigitte, »aber vorausgesetzt, daß Sie nicht einer von den netten Vätern sind, die die Kinder mit ihren Mätressen bekannt machen, möchte ich Sie doch fragen, wie Sie sich in der Gesellschaft von Herrn Julians ›Blondine‹ befinden konnten.«
»Ah, Sie scheinen anzunehmen,« sagte Minard, in Eifer geratend, »daß ich imstande wäre, die Ausschweifungen meines Sohnes noch zu unterstützen?«
»Ich nehme gar nichts
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