Die Kleinbürger (German Edition)
sollen sich damit begnügen, in der Stille Ihre Rosen zu züchten? Oh, nein! ... Ich rede offen, mein lieber Thuillier, ich will Sie in die Höhe bringen, weil Sie mich dann mit emporziehen ... Also hören Sie meinen Plan. Aus unserm Bezirk soll ein Mitglied des Magistrats gewählt werden, und das sollen Sie sein! ... Und,« sagte er mit Nachdruck, »das werden Sie sein! Dann werden Sie eines Tages zum Deputierten des Bezirks gewählt werden, sobald die Kammer neu gewählt wird, was ja nicht mehr lange dauern kann ... Die Stimmen, die Sie zum Mitglied der Stadtverwaltung gewählt haben, werden Ihnen auch bei der Deputiertenwahl treu bleiben, verlassen Sie sich dabei auf mich ...«
»Aber wie wollen Sie das zustande bringen?« rief Thuillier aus, fasziniert von dieser Aussicht.
»Das werden Sie schon erfahren; aber Sie müssen mich diese langwierige und schwierige Sache allein durchführen lassen; wenn Sie irgend etwas verlauten lassen von dem, was in dieser Angelegenheit besprochen, eingefädelt und zwischen uns verabredet wird, dann lasse ich Sie im Stich und sage: gehorsamer Diener!«
»Oh, Sie können auf das absolute Schweigen eines früheren Vizechefs rechnen; was sind mir für Geheimnisse anvertraut worden ...«
»Schön! Aber es handelt sich auch darum, daß die Sache vor Ihrer Frau, Ihrer Schwester und den Collevilles geheim bleibt.«
»Nicht ein Wimpernzucken soll etwas verraten«, sagte Thuillier und nahm eine undurchdringliche Miene an.
»Gut!« erwiderte la Peyrade, »ich werde Sie auf die Probe stellen. Aber um gewählt werden zu können, muß man den Zensus bezahlen, und das tun Sie nicht.«
»Verzeihung, für die Munizipalwahl genügt das, was ich zahle: zwei Franken und sechsundachtzig Centimes.«
»Gewiß; aber für die Kammerdeputierten beträgt der Zensus fünfhundert Franken, und wir haben damit keine Zeit zu verlieren, denn man muß nachweisen, daß man schon ein Jahr lang so eingeschätzt ist.«
»Teufel noch mal!« sagte Thuillier, »binnen eines Jahres auf fünfhundert Franken zu kommen ...«
»Spätestens Ende Juli werden Sie zahlen müssen; aber meine Ergebenheit geht so weit, daß ich Ihnen das Geheimnis eines Geschäftes anvertrauen will, bei dem Sie sich dreißig- bis vierzigtausend Franken Rente mit einem Kapital von höchstens hundertfünfzigtausend Franken verschaffen können. Nun leitet bei Ihnen seit langer Zeit Ihre Schwester die Geldgeschäfte; ich bin weit entfernt davon, das zu mißbilligen; sie besitzt, wie man sagt, die beste Urteilsfähigkeit; wir müssen also damit beginnen, daß ich mir die Zuneigung und Freundschaft Fräulein Brigittes erwerbe, indem ich ihr diese Kapitalsanlage vorschlage, und zwar aus folgendem Grunde: wenn Fräulein Thuillier mir nicht unbedingtes Vertrauen schenkt, würde es ein Hin- und Hergezerre geben; daher müssen Sie Ihrer Schwester nahelegen, daß Sie das Grundstück auf Ihren Namen eintragen läßt. Das ist viel wirksamer, als wenn dieser Vorschlag von mir ausginge. Im übrigen werden Sie ja beide die Sachen prüfen. Was nun meine Schritte anlangt, die ich tun will, um Sie in die städtische Verwaltung zu bringen, so sind es diese: Phellion verfügt über den vierten Teil der Stimmen seines Stadtviertels, er und Laudigeois wohnen hier seit dreißig Jahren, man hört auf sie wie auf ein Orakel. Ein Freund von mir verfügt über ein zweites Viertel, und der Pfarrer von Saint-Jacques, der infolge seines vortrefflichen Charakters einen gewissen Einfluß hat, auch über einige Stimmen. Dutocq, der ebenso wie der Friedensrichter Beziehungen zu den Bewohnern des Bezirks hat, wird mir behilflich sein, zumal da es sich nicht um mich selber handelt; und schließlich bedeutet Colleville, als Stadtsekretär, auch ein Viertel der Stimmen.«
»Aber Sie haben ja ganz recht,« rief Thuillier aus, »dann bin ich ja gewählt!«
»Glauben Sie?« sagte la Peyrade mit beißender Ironie; »gehen Sie nur mal zu Ihrem Freunde Colleville und bitten Sie ihn um seine Unterstützung; Sie werden schon sehen, was er sagen wird ... Bei Wahlangelegenheiten erlangt kein Kandidat den Sieg durch sich selbst, sondern nur durch seine Freunde. Niemals darf man selbst etwas für sich verlangen, man muß sich bitten lassen, eine Kandidatur anzunehmen, man muß jeden Ehrgeiz ableugnen.« »La Peyrade,« rief Thuillier, erhob sich und drückte dem jungen Advokaten die Hand, »Sie sind ein sehr kluger Mann.«
»Nicht so klug wie Sie, aber ich besitze einige Fähigkeiten«,
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