Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
erwiderte der Provenzale lächelnd.
    »Aber wie soll ich mich gegen Sie erkenntlich zeigen, wenn wir siegen?« fragte Thuillier naiv.
    »Also hören Sie ... Sie werden mich vielleicht für anmaßend halten; bedenken Sie aber, daß ein tiefes Gefühl mich rechtfertigt, und daß dieses Gefühl mir Mut gemacht hat, alles dies in die Wege zu leiten! Ich liebe, und ich will mich Ihnen anvertrauen.«
    »Aber wen denn?« sagte Thuillier.
    »Ihre teure kleine Celeste,« erwiderte la Peyrade, »und diese Liebe bürgt Ihnen für meine Hingebung, denn was täte ich nicht alles für meinen ›Schwiegervater‹! Es ist das ja Egoismus, ich arbeite ja für mich ...«
    »Still!« rief Thuillier erschreckt.
    »Ja, mein lieber Freund,« sagte la Peyrade und faßte ihn um die Taille, »hätte ich nicht Flavia auf meiner Seite und wüßte ich nicht alles, würde ich dann mit Ihnen davon gesprochen haben? Nur bitte ich, noch abzuwarten; sprechen Sie noch kein Wort mit ihr darüber. Hören Sie mich an: ich bin aus dem Holz, aus dem Minister geschnitzt werden, und ich will Celeste erst besitzen, wenn ich sie mir verdient habe; Sie sollen mir Ihre Hand erst an dem Abend des Tages zusagen, an dem sich in der Wählerliste so viele Stimmen auf Ihren Namen vereinigt haben, daß Sie Deputierter von Paris werden. Dazu aber muß man schwerer wiegen als Minard: Minard muß also beiseite geschoben werden, Sie müssen das, worauf sich Ihr Einfluß gründet, in der Hand festhalten, und um das zu erreichen, machen Sie Celeste zu einem Preis, um den wir alle kämpfen ... Frau Colleville, Sie und ich, wir werden eines Tages wichtige Persönlichkeiten sein. Glauben Sie übrigens nicht, daß ich ein Geldinteresse habe: ich will Celeste ohne Vermögen haben, nur mit ihren Aussichten ... Mit Ihnen zusammen zu leben, Celeste im Schoße Ihrer Familie zu lassen, das ist meine Absicht ... Sie sehen, ich spreche ohne Hintergedanken. Was Sie anlangt, so werden Sie sechs Monate nach Ihrer Wahl zum Rat der städtischen Verwaltung das Kreuz haben, und sobald Sie Deputierter sind, werden Sie sich zum Offizier der Ehrenlegion ernennen lassen ... Ihre Kammerreden, nun, die werden wir zusammen verfassen! Vielleicht wird es nötig sein, daß Sie ein ernstes Buch über eine Materie auf halb moralischem, halb politischem Gebiet schreiben, zum Beispiel über Wohltätigkeitseinrichtungen von einem höheren Gesichtspunkte aus, oder über die Reform der Pfandleihhäuser, bei denen schwere Mißbräuche eingerissen sind. Dann bringen wir neben Ihrem Namen ein kleines Bild von Ihnen ... Das wird gut wirken, besonders in unserm Viertel. Ich habe Ihnen gesagt: ›Sie können das Kreuz haben und Mitglied der Behörde des Seinedepartements werden‹. Vertrauen Sie mir, denken Sie nicht daran, mich in Ihre Familie aufzunehmen, bevor Sie nicht das Ordensband im Knopfloch haben und erst an dem Tage, an dem Sie Ihren Sitz in der Kammer eingenommen haben. Aber ich werde noch mehr tun: ich werde Ihnen ein Einkommen von vierzigtausend Franken verschaffen ...« »Schon für jeden einzelnen dieser drei Punkte sollen Sie unsere Celeste haben!«
    »Ach, was ist das für eine Perle!« sagte la Peyrade und hob die Augen zum Himmel, »ich gestehe meine Schwäche, daß ich jeden Tag für sie zu Gott bete ... Sie ist so entzückend, das hat sie jedenfalls von Ihnen ... Mir brauchen Sie übrigens keine Vorsichtsmaßregeln anzuempfehlen! Dutocq hat mir alles mitgeteilt. Also auf heute abend! Ich muß jetzt zu Phellion, um für Sie zu wirken. Selbstverständlich denken Sie für Celeste nicht im entferntesten an mich ... sonst würden Sie mir Hals und Beine brechen. Also tiefstes Schweigen darüber, selbst gegen Flavia! Warten Sie ab, bis sie mit Ihnen davon anfängt. Phellion wird Sie schon heute abend um Ihre Zustimmung zu seinem Projekt, Sie als Kandidaten aufzustellen, bestürmen.«
    »Heute abend?« sagte Thuillier.
    »Heute abend,« erwiderte la Peyrade, »vorausgesetzt, daß ich ihn zu Hause treffe.«
    Thuillier ging fort und sagte zu sich: ›Das ist ein hervorragender Mensch! Immer verstehen wir uns ausgezeichnet, und, wahrhaftig, wir können nur schwer einen besseren Mann für Celeste finden; sie werden mit uns zusammen leben, das bedeutet viel, und er ist ein braver Junge, ein guter Mensch ...‹
    Bei Naturen von der geistigen Beschaffenheit Thuilliers spielen Nebenumstände für ihr Urteil die gleiche wichtige Rolle, wie die Hauptsache. Theodosius hatte die gewinnendste Liebenswürdigkeit

Weitere Kostenlose Bücher