Die Kleinbürger (German Edition)
lächelnd eine Hofdame zu einer Herzogin, die einen Lachausbruch nicht zurückhalten konnte, als sie die aufgedonnerte Zélie erblickte, die mit Diamanten beladen, rot wie eine Klatschrose und in ein golddurchwirktes Kleid eingeschnürt, vorwärts rollte, wie eine Tonne in ihrem früheren Laden.
»Werden Sie mir vergeben können, schönste Frau,« sagte Thuillier, der sich heranschlängelte und dann die Pose Numero zwei seines Repertoirs von 1817 annahm, »daß ich diese Einladung auf meinem Schreibtisch liegen ließ, im Glauben, sie sei schon abgesandt? ... Sie war zu heute abend; komme ich etwa schon zu spät ...?«
Zélie sah ihren Mann an, der herantrat, um Thuillier zu begrüßen, und antwortete dann:
»Wir wollen eigentlich einen Landsitz besichtigen und dann ›auf gut Glück‹ in einem Restaurant speisen, aber wir werden darauf verzichten, und zwar um so lieber, als es, meiner Meinung nach, scheußlich gewöhnlich ist, am Sonntag aus Paris wegzufahren.«
»Wir wollen einen kleinen Tanz mit Klavierbegleitung für die Jugend veranstalten, wenn wir zahlreich genug sein werden, was ich annehme; ich habe die Zusage von Phellion, dessen Frau mit Frau Prou befreundet ist, dem Nachfolger ...« »Der Nachfolgerin« unterbrach ihn Frau Minard. »Ach gewiß!« erwiderte Thuillier, »es ist ja die Nachfolgerin, wie man Frau Bürgermeisterin sagt, des Fräuleins Lagrave, einer geborenen Barniol.« »Muß man Toilette machen?« fragte Frau Minard. »Aber nicht doch!« rief Thuillier aus, »meine Schwester würde schön mit mir schelten. Nein, nein, wir sind ja in Familie! Zur Zeit des Kaiserreichs, gnädige Frau, lernte man sich beim Tanzen kennen ... In dieser großen Zeit stellte man einen guten Tänzer ebenso hoch, wie einen guten Soldaten ... Heutzutage legt man mehr Wert auf das Materielle ...«
»Sprechen wir nicht über Politik«, sagte der Bürgermeister lächelnd. »Der König ist ein großer Mann, ich bin ein Bewunderer unsrer Zeit und der Verfassung, die wir uns gegeben haben. Der König weiß übrigens recht gut, was er tut, wenn er die Industrie sich entwickeln läßt: er kämpfte Leib an Leib mit England, und wir schädigen dieses mehr durch unsern fruchtbringenden Frieden, als es die Kriege der Kaiserzeit getan haben ...«
»Was für einen Deputierten würde Minard abgeben!« rief Zélie naiv aus; »er übt sich vor uns im Reden, und Sie werden uns bei der Wahl unterstützen, nicht wahr, Thuillier?«
»Sprechen wir nicht über Politik«, entgegnete Thuillier; »wir erwarten Sie um fünf Uhr ...« »Kommt der kleine Vinet auch?« fragte Minard; »der war doch sicher Celestes wegen erschienen.« »Der kann schon Trauer anlegen«, erwiderte Thuillier; »Brigitte will von ihm überhaupt nicht reden hören.«
Zélie und Minard wechselten einen Blick voller Zufriedenheit.
»Wenn man bedenkt, daß man sich unsres Sohnes wegen mit solchen Leuten gemein machen muß!« rief Zélie aus, als Thuillier, den der Bürgermeister hinausbegleitet hatte, auf der Treppe war. ›Ach, du willst Deputierter werden!‹ sagte Thuillier zu sich, als er die Treppe hinunter ging. ›Mit nichts haben diese Krämer genug! Mein Gott, was würde Napoleon sagen, wenn er die Regierung in den Händen dieser Leute sähe! ... Ich, ich bin doch wenigstens Verwaltungsbeamter! ... Was ist das für ein Konkurrent! Was wohl la Peyrade dazu sagen wird!‹
Der ehrgeizige Vizechef lud noch die Familie Laudigeois zum Abend ein und begab sich dann zu Colleville, um zu bitten, daß Celeste recht hübsche Toilette mache. Er fand Flavia ziemlich nachdenklich vor; sie zögerte mit der Zusage, aber Thuillier besiegte ihre Unentschlossenheit.
»Meine liebe alte und immer noch junge Freundin,« sagte er und faßte sie um die Taille, denn sie waren allein im Zimmer, »ich will kein Geheimnis vor Ihnen haben. Es handelt sich für mich um eine schwerwiegende Sache ... Ich will nicht mehr sagen, ich kann Sie nur bitten, ganz besonders liebenswürdig zu sein gegen einen jungen Mann ...«
»Gegen wen denn?«
»Gegen den jungen la Peyrade.«
»Und weshalb, Karl?«
»Mein Schicksal liegt in seiner Hand, und im übrigen ist er ein genialer Mensch. Oh, ich verstehe mich darauf ... Er hat so etwas!« sagte Thuillier und machte dabei die Bewegung eines Zahnarztes, der einen Backzahn auszieht. »Man muß ihn an uns fesseln, Flavia! ... Aber wir dürfen ihn durchaus nichts merken lassen und ihm nicht verraten, was für eine Macht wir ihm zutrauen ... Ich
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