Die Kleinbürger (German Edition)
arbeitsreichen und ehrenhaften Lebens. Ich will auch mein Glück weder den Gewissensskrupeln einer edlen Seele noch einer Intrige zu verdanken haben; ich liebe Celeste wie meine eigenen Angehörigen, aber höher als alles dies steht mir die Ehre meines Vaters, und mit dem Augenblick, wo es sich bei ihm um eine Gewissensfrage handelt, ist die Sache für mich erledigt.«
Phellion, die Augen voller Tränen ging auf seinen Ältesten zu und umarmte ihn.
»Mein Sohn, mein lieber Sohn!« sagte er mit erstickter Stimme.
»Das sind alles Dummheiten«, sagte Frau Phellion leise zu Frau Barniol; »hilf mir beim Anziehen, das muß ein Ende haben; ich kenne deinen Vater, er hat sich in die Sache verbissen ... Für den Weg, den uns dieser brave, fromme junge Mann eben gezeigt hat, brauche ich deine Unterstützung, Theodor; halte dich bereit, mein Sohn.«
In diesem Augenblick brachte Genovefa dem alten Phellion einen Brief.
»Eine Einladung von den Thuilliers zum Diner, für meine Frau, mich und Felix«, sagte er.
Die glänzende verblüffende Idee des Armenadvokaten hatte die Thuilliers ebenso in Aufregung versetzt wie die Phellions; und Jerome war, ohne daß er seiner Schwester etwas anvertraute, denn er betrachtete das seinem Mephisto gegenüber als eine Ehrensache, ganz aufgeregt zu ihr kommen, um ihr zu sagen:
»Hör' mal, Kleine (mit dieser Benennung schmeichelte er sich immer in ihr Herz), wir werden heute große Gesellschaft zum Diner haben; ich gehe jetzt und lade Minards ein, also sorge für feines Essen; ich schicke auch Phellions eine Einladung; es geschieht etwas spät, aber bei ihnen braucht man sich nicht zu genieren ... Was Minards anlangt, so müssen wir ihnen etwas Sand in die Augen streuen, ich habe sie nötig.«
»Vier Minards, drei Phellions, vier Collevilles und wir, das sind dreizehn ...«
»La Peyrade ist der vierzehnte, und es wäre auch gut, Dutocq zu bitten, er kann uns nützlich sein; ich werde zu ihm hinaufgehen.«
»Was steckt denn da dahinter?« rief seine Schwester aus; »fünfzehn Personen zum Diner, da gehen mindestens vierzig Franken drauf!«
»Laß dir das nicht leid tun, Kleine, und sei vor allem liebenswürdig gegen unsern jungen Freund la Peyrade. Das ist ein Freund ... Davon wirst du dich noch überzeugen! ... Wenn du mich lieb hast, dann hüte ihn wie deinen Augapfel ...« Und er ließ Brigitte allein, die ganz verblüfft war.
›O ja, ich werde mich erst überzeugen!‹ sagte sie zu sich. ›Mit schönen Worten lasse ich mich nicht fangen! ... Er ist ein netter Junge, aber bevor ich ihn ins Herz schließe, muß ich ihn doch noch etwas genauer kennenlernen.‹
Als Thuillier Dutocq eingeladen hatte, begab er sich, nachdem er sich freigemacht hatte, nach der Rue des Magons-Sorbonne, in das Haus Minards, um die dicke Zélie zu bezaubern und das Ungewöhnliche der Einladung zu beschönigen. Minard hatte eins der großen, kostbaren Häuser erworben, welche die früheren kirchlichen Orden sich rings um die Sorbonne gebaut hatten, und als er die großen steinernen Stufen der Treppe hinaufstieg, deren schmiedeeisernes Geländer bewies, in wie hoher Blüte auch die Künste zweiten Ranges unter Ludwig XIII. standen, hatte Thuillier ein Gefühl des Neides, sowohl wegen des Hauses, als auch wegen der Stellung des Herrn Bürgermeisters.
Das große, zwischen Vorhof und Garten gelegene Wohnhaus zeichnete sich durch den gleichzeitig zierlichen und vornehmen Stil Ludwigs XIII. aus, der so eigenartig zwischen dem Ende der entarteten Renaissance und der Großartigkeit des frühen Stils Ludwig XIV. steht. Man sieht diesen Übergangsstil bei vielen Monumentalbauten. Das mächtige Ornament der Fassaden wie das an der Sorbonne, die nach den Regeln der griechischen Ordnungen hergestellten Säulen erscheinen zuerst bei diesen Bauwerken.
Ein ehemaliger Kleinhändler, ein erfolgreicher Schwindler, war der Nachfolger des kirchlichen Leiters einer Institution geworden, die einstmals das Economat genannt wurde, und die der Generalverwaltung des alten französischen Klerus unterstand, eine Gründung, die dem weitblickenden Genius Richelieus zu verdanken war. Der Name Thuillier öffnete diesem die Türen des Salons, in dem auf rotem Sammet mit Goldverzierungen inmitten kostbarer Chinoiserieen die arme Frau thronte, die mit ihrem ganzen Gewicht schwer auf der Brust der Prinzen und Prinzessinnen bei den populären Bällen im Schlosse lastete.
»Gibt das nicht der ›Karikatur‹ recht?« sagte eines Tages
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