Die Kleinbürger (German Edition)
Advokat traten jetzt heraus und gesellten sich zu der Familie im Garten.
»Mein lieber Felix,« sagte der alte Herr und wies auf la Peyrade, der sich vor Frau Phellion verbeugte, »du mußt diesem würdigen jungen Manne sehr dankbar sein, er wird dir weit mehr nützen als schaden.«
Der Advokat ging fünf Minuten lang mit Frau Barniol und Frau Phellion unter den kahlen Linden auf und ab und gab ihnen, angesichts der schwierigen Umstände, die sich aus der politischen Hartnäckigkeit Phellions ergaben, Ratschläge, deren Ergebnis am Abende zutage treten sollten, und deren erste Wirkung darin bestand, die beiden Damen zu Verehrerinnen seiner Geschicklichkeit, seiner Offenheit und seiner unschätzbaren Fähigkeiten zu machen. Der Advokat wurde von der gesamten Familie bis an die Straßentür begleitet, und aller Augen folgten ihm, bis er um die Ecke der Rue du Faubourg-Saint-Jacques gebogen war. Frau Phellion nahm den Arm ihres Mannes, als sie in den Salon zurückkehrten und sagte zu ihm: »Aber sage mir, mein Lieber, willst du, ein so guter Vater, in deinem übertriebenen Zartgefühl, die beste Heirat, die unser Felix machen kann, scheitern lassen?«
»Die großen Männer des Altertums, meine Beste,« entgegnete Phellion, »solche wie Brutus und andere, waren niemals Väter, wenn es darauf ankam, sich als Bürger zu zeigen ... Das Bürgertum hat noch viel mehr als der Adel, an dessen Stelle zu treten es berufen ist, die Verpflichtung, das Beispiel erhabener Tugend zu geben. Herr von Saint-Hilaire dachte nicht an seinen verlorenen Arm, als er vor dem toten Turenne stand ... Wir müssen uns als würdig erweisen, und wir sollen das auf allen Stufen der sozialen Hierarchie tun. Durfte ich meiner Familie solche Grundsätze beibringen, um sie dann im gegebenen Moment selbst zu mißachten? ... Nein, meine Liebe, weine heute, wenn du willst; morgen wirst du mir deine Achtung nicht verweigern! ...« sagte er zu seiner kleinen, dürren besseren Hälfte, die Tränen in den Augen hatte.
Diese großen Worte sprach er auf der Schwelle der Tür, über der angeschrieben stand: »Aurea mediocritas.«
»Ich hätte noch hinzusetzen können: ›et digna‹« fuhr Phellion fort und wies auf die Tafel; »aber diese beiden Worte hätten wie Selbstlob geklungen.«
»Lieber Vater,« sagte Marie-Theodor Phellion, der zukünftige Ingenieur der Wegebauverwaltung, als die ganze Familie wieder im Salon vereinigt war, »es scheint mir doch nicht gegen die Ehre zu verstoßen, wenn man seinen Entschluß bezüglich einer Wahl ändert, sofern das für das öffentliche Wohl ganz gleichgültig ist.«
»Gleichgültig, mein Sohn?« rief Phellion aus.
»Unter uns will ich dir sagen, und Felix ist derselben Ansicht: Herr Thuillier ist ein ganz unfähiger Mensch! Er versteht nichts! Herr Horace Bianchon aber, das ist ein tüchtiger Mann, er wird tausend Dinge für unsern Bezirk durchsetzen, Thuillier nicht eine! Und merke dir, mein Sohn, einen richtigen Entschluß persönlicher Interessen halber in einen falschen umändern, das heißt niederträchtig handeln, und wenn das auch den Augen der Menschen entgeht, die Strafe Gottes wird nicht ausbleiben. Ich fühle mich, oder ich glaube mich vor meinem Gewissen rein fühlen zu dürfen, und ich bin es euch schuldig, meiner Familie mein Andenken unbefleckt zu hinterlassen, deshalb wird mich auch nichts zu einer Änderung bestimmen können.«
»Ach, lieber Vater,« rief die kleine Frau Barniol aus und setzte sich mit einem Kissen auf Phellions Knie, »setze dich doch nicht gleich so aufs hohe Pferd! Es gibt doch so viele Dummköpfe und Nullen im Munizipalrat, und Frankreich lebt trotzdem weiter. Der brave Thuillier wird doch immer Ja sagen ... Bedenke, daß Celeste vielleicht mal fünfhunderttausend Franken haben wird.«
»Und wenn sie fünf Millionen hätte,« sagte Phellion, »und sie lägen hier vor mir, ... auch dann würde ich Thuillier noch nicht als Kandidaten vorschlagen, wenn ich es dem Andenken an den tugendreichsten aller Menschen schuldig bin, Horace Bianchon wählen zu lassen. Und aus der Himmelshöhe wird Popinot auf mich herabsehen und mir zustimmen! ...« rief Phellion aufgeregt aus. »Mit solchen Anschauungen erniedrigt man Frankreich und spricht das Verdammungsurteil über das Bürgertum.«
»Der Vater hat recht,« sagte Felix, der aus seiner tiefen Verträumtheit erwachte, »und er hat Anspruch auf unsre Achtung und unsre Liebe wie stets im Verlaufe seines ganzen bescheidenen,
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