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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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stürzte auf die Straße, um zu Thuillier zu eilen; aber er wandte sich noch einmal um, sah Flavia am Fenster und machte ihr ein Zeichen des Triumphes.
    »Was für ein Mensch! ...« sagte sie sich.
    »Bester Freund,« sagte er in ruhigem, sanftem, beinahe süßlichem Tone zu Thuillier, »wir sind in die Hände von erbitterten Schurken geraten; aber ich werde ihnen eine kleine Lektion erteilen.«
    »Was gibt es denn?« fragte Brigitte.
    »Die Leute wollen fünfundzwanzigtausend Franken haben, und um uns dazu zu zwingen, haben der Notar oder seine Komplizen den Antrag auf Anberaumung eines neuen Bietungstermins gestellt; stecken Sie sich fünftausend Franken ein, Thuillier, und begleiten Sie mich, ich werde Ihnen den Besitz des Hauses sichern. Aber ich mache mir damit unversöhnliche Feinde! ...« rief er dann aus, »sie wollen mich moralisch vernichten. Wenn Sie nur nicht auf ihre infamen Verleumdungen hören und immer an mir festhalten wollen, mehr verlange ich nicht. Was ist auch schließlich daran gelegen? Wenn ich es durchsetze, so bezahlen Sie für das Haus hundertfünfundzwanzigtausend Franken statt hundertzwanzigtausend.«
    »Das wird sich aber doch nicht etwa wiederholen? ...« fragte Brigitte, die unruhig geworden war, und deren Augen sich infolge eines bösen Verdachtes erweiterten.
    »Die eingetragenen Gläubiger haben allein das Recht, einen neuen Bietungstermin zu verlangen, und da nur dieser Eine allein von seinem Rechte Gebrauch gemacht hat, können wir beruhigt sein. Seine Schuld beträgt nur zweitausend Franken, aber wir müssen auch die Kosten der dabei beteiligten Anwälte tragen und dem Gläubiger einen Tausendfrankenschein in die Hand stecken.«
    »Geh, Thuillier,« sagte Brigitte, »und nimm dir Hut und Handschuhe, wo das Geld liegt, weißt du ...«
    »Da ich mit den fünfzehntausend Franken nichts erreicht habe, will ich nicht, daß das Geld durch meine Hände geht ... Thuillier soll es selbst zahlen«, sagte Theodosius, als er mit Brigitte allein war. »Sie haben volle zwanzigtausend Franken bei dem Geschäft, das ich für Sie mit Grindot abgeschlossen habe verdient; er dachte, daß er noch mit dem Notar zu tun hätte, und nun haben Sie ein Grundstück erworben, das in fünf Jahren eine Million wert sein wird. Es ist eine Boulevardecke!«
    Brigitte hörte ihm aufmerksam zu, ganz wie eine Katze, die Mäuse unter der Diele wittert. Sie sah ihn scharf an, und trotz der Richtigkeit seiner Ausführungen, stiegen ihr Zweifel auf.
    »Was haben Sie denn, Tantchen? ...«
    »Ach, ich stehe eine Todesangst aus, solange wir nicht eingetragene Eigentümer sind ...«
    »Sie würden doch gern zwanzigtausend Franken opfern, nicht wahr,« sagte Theodosius, »damit Thuillier das hat, was wir unangreifbaren Besitz nennen? Nun, dann denken Sie daran, daß ich Sie diese Summe zweimal habe verdienen lassen.«
    »Wohin gehen wir denn? ...« fragte Thuillier.
    »Zu Godeschal! den müssen wir als Anwalt haben.«
    »Aber dem haben wir ja Celestes Hand abgeschlagen!« rief die alte Jungfer aus.
    »Gerade deshalb wende ich mich an ihn«, antwortete Theodosius; »ich kenne ihn, er ist ein Ehrenmann, und er wird Ihnen gern einen Dienst leisten.«
    Godeschal, der Nachfolger Dervilles, war mehr als zehn Jahre der erste Gehilfe Desroches' gewesen. Theodosius, dem das bekannt war, hatte diesen Namen mitten in seinem verzweifelten Zustande, wie von einer inneren Stimme genannt, in seinem Ohr erklingen hören und damit die Möglichkeit vor sich gesehen, Claparon die Waffe, mit der ihn Cérizet bedrohte, aus der Hand zu schlagen. Vor allem aber mußte der Advokat zu Desroches gelangen, um sich über die Absichten seiner Gegner Klarheit zu verschaffen. Und dazu konnte ihm allein Godeschal verhelfen.
    Die Pariser Anwälte stehen, wenn sie so nahe verbunden sind wie Godeschal und Desroches, in einem wahrhaft kollegialen Verhältnis zu einander, und die Folge davon ist, daß alle Angelegenheiten, bei denen es möglich ist, unschwer durch Vergleich erledigt werden. Sie machen einer dem andern, unter dem Vorbehalt der Gegenseitigkeit, alle erlaubten Konzessionen, nach dem Sprichworte: »Reich mir das Salz, dann werde ich dir den Pfeffer reichen«, das ja auch bei allen Berufen befolgt wird, bei Ministern, bei der Armee, unter Richtern, Kaufleuten, überall da, wo Feindschaft nicht allzu starke Hemmnisse zwischen den Parteien aufgerichtet hat. »Ich verdiene dabei ein genügendes Honorar«, ist der Grund hierfür, der nicht ausgesprochen

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