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Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Titel: Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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Reliquie weitergegeben worden, bevor man sie im Jahr 1994 in einem Acker vergraben habe.
    Doria erbricht, preßt die Hände gegen die Lippen, schluckt, was sie vom Erbrochenen im Mund behalten kann, wieder runter. Es muß so gewesen sein, ansonsten ihr das Erbrechen wohl das Leben gerettet hätte. Ihre Angehörigen bemerken erst gegen Abend, daß etwas nicht stimmt. Aus ihrem Zimmer sind Schreie zu hören. Man hält sie für hysterisch. Endlich stemmen ihr Onkel Emilio und der Bruder Dolfino die Tür zu ihrer Kammer auf. Ekelerregender Gestank schlägt ihnen entgegen. Man ruft Dottore Giacchi – der ist nicht auf Vergiftungen spezialisiert, und selbst wenn er es wäre, es gibt nichts mehr zu tun, die inneren Organe der Selbstmörderin werden vom Gift zersetzt, jede Operation käme zu spät.
    Am 24. Januar fragt Puccini aus Rom per Brief einen Freund, ob denn endlich der Termin für die Blesshuhnjagd feststehe. Keine Viertelstunde später erhält er ein Telegramm seines Kumpels Bettolacci, das ihn von der Tragödie unterrichtet. Er erleidet einen physischen Zusammenbruch.
    Alsbald erfährt auch Elvira, was geschehen ist. Und bleibt gelassen. Die Schlampe habe sich Gift gegeben, na und? Sie habe es getan, niemand habe es ihr verabreicht. Und sie lebe ja noch. Wozu die Aufregung? Elvira telegrafiert an Giacomo sogar, daß dies seine und Dorias Schuld beweise, schuldlos vergifte sich niemand.
    Paolo Tosti und seine Frau Berthe halten sich zufällig in Rom auf und eilen ins Hotel Quirinale , versuchen ihren Freund Giacomo zu trösten. Dieser telegrafiert täglich mehrmals mit seinem Verbindungsmann in Torre, Antonio Bettolacci, um Neues zu erfahren. Bettolacci (der Gutsverwalter des Marchese Ginori, dem Eigentümer des Massaciuccoli-Sees) weiß nichts Neues, läßt nur Elvira warnen, sie möge in Mailand bleiben, hier sei es definitiv zu gefährlich für sie.
    Die Reporter lungern in unserem Treppenhaus herum, berichtet Tonio seiner Mutter. Sie hätten ihn gezupft und bedrängt und ihm Geld angeboten, damit er sich zu den Vorfällen äußere.
    Elvira gibt einen grimmigen Kommentar ab, daß die Hure sich mit dem Sterben zuviel Zeit lasse, um es ernst zu meinen, alles sei nur Getue und Theater. Als Tonio sie entsetzt anblickt, legt sie nach und betont erneut, die Schlampe habe sich schließlich aus freiem Willen vergiftet und werde selbst am besten wissen, weswegen.
    Tonio erfährt von der vermeintlichen Abtreibung, von Kopulationen im Garten oder auf dem Klavier, vom Fausthieb, den sein Vater der Mutter im letzten Herbst verpaßt hat usw. Es scheint ihm schwer vorstellbar, daß sie das alles erfunden haben könnte. Was soll er glauben?
    Zumal er seinen Vater einigermaßen richtig einzuschätzen gelernt hat.
    GP an Antonio Bettolacci
Rom, Hotel Quirinal,
26. Januar 1909, Dienstag –
    (…) Du kannst Dir vorstellen, wie mein Zustand ist! Falls die arme Doria nicht stirbt, brauche ich Deine Hilfe – Tu mir den Gefallen, Dich mit ihrem Bruder Rodolfo zu treffen, und sag ihm, daß es überhaupt nicht stimmt, daß ich veranlaßt hätte, ihn aus dem Dorf zu entfernen. Es sieht so aus, daß Rodolfo Torre verlassen hat und er sagt, und auch bevor ich abgereist bin, hat er gesagt, daß ich der Grund war, da ich ihn weghaben wollte, dies entspricht überhaupt nicht der Wahrheit, im Gegenteil. (…) Alles abstreiten, was meine Frau über die nächtlichen Verabredungen behauptet hat etc. – (…) daß ich Doria um 20 Uhr abends in der Via del Polese getroffen habe – das ist völliger Quatsch.
    Verwende Dich bitte dafür, daß das arme Mädchen ein bißchen Trost bekommt. Kümmere Dich darum, als ob es Deine eigene Angelegenheit wäre – wenn es noch rechtzeitig ist! Dieser Gedanke ist furchtbar – ich sehe alles zerstört für mich, Familie, Frieden – Leb wohl für immer, mein Torre del Lago! … Alles ist dem Untergang geweiht – und die Gewissensbisse werden alle packen … nein, manche Leute haben keine Seele … Ich werde von allen der Unglücklichste sein! Wenn bei Doria zu Hause die Hölle los ist, rate ich Dir, nimm Du sie mit (…), denn Doria ist eine Seele von Mensch – Ich habe sie mehr als 5 Jahre bei mir im Hause gehabt und kann das sagen – böse Kreaturen haben sie ruiniert, Du kennst den Grund –
    Lieber Tonino, was könntest Du machen? (…) Aber, wenn zu dieser Stunde, in der ich dies schreibe, es geschehen sein sollte, daß das arme Mädchen gestorben ist! O mein Gott, welch furchtbarer und

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