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Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Titel: Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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ständiger Gedanke! Ich bin in einem schrecklichen Zustand – nur du kannst mir helfen – ich weiß nicht, was ich Dir raten soll – Du, der Du einen so guten Menschenverstand besitzt, geh vor, handle, so gut du kannst – o wenn sie nur mit heiler Haut davonkäme! Laß uns hoffen – aber man muß unbedingt etwas für sie tun – Ich bin zu allem bereit – ihr eine Anstellung woanders zu besorgen – wie auch immer, lieber Tonino, hab keine Angst vor Geschwätz und Kommentaren, nimm Dich der Sache an und kümmere Dich um jenen grausamen und verderbten Bruder – aber nicht mit Drohungen, das macht es nur schlimmer – sag mir sofort Bescheid, schick mir lange Telegramme aus Massarosa. (…)
    Ciao, ich umarme Dich,
    Dein GPuccini
    Fünf Tage liegt Doria auf dem Sterbebett. Unter entsetzlich schmerzhaften Krämpfen verlangt sie, ihre Reinheit möge nach ihrem Tod geprüft werden. Auf einem Zettel bekräftigt sie schriftlich ihre Unschuld. Von Dolfino erzwingt sie den Schwur, er möge dem Maestro nichts antun, jener sei immer sanft und gut zu ihr gewesen. Dolfino schwört es, wenn auch widerstrebend. Um so heftiger schwört er allerdings auch, Elvira zu töten. Von diesem Vorhaben das überdrehte Brüderchen abzubringen, versucht Doria erst gar nicht.
    Giulia unternimmt nichts, zieht sich zurück, hilflos angesichts des bestürzend einstimmigen Urteils der Ärzte. Doria werde sterben, es bestehe keinerlei Hoffnung. Nein, keine.
    GP an Sybil, 27. Januar 1909
    Ich bin am Ende und verzweifelt, meine Lage ist rettungslos verloren. Doria hat sich mit Sublimat vergiftet, und jeden Moment erwarte ich die Nachricht ihres Todes. Sie können sich ausmalen, wie es mir geht.
    Ich bin völlig ruiniert. Dies ist das Ende meines Familienlebens, das Ende von Torre del Lago, das Ende von allem. Ich weiß nicht, was ich tun werde, ich bin des Lebens überdrüssig, das für mich zu einer unerträglichen Last geworden ist. Die Konsequenzen dieser schrecklichen Tragödie sind nicht vorauszusehen, wenn Doria stirbt – und sie wird bestimmt sterben, wenn sie nicht bereits tot ist, jetzt, da ich Ihnen dies schreibe. Letzte Nacht hieß es, ihr Zustand sei praktisch hoffnungslos. Tosti und Berthe sind hier und trösten mich ein wenig, aber wofür? Liebe Sybil, wie elend ist mir. Haben Sie Mitgefühl mit mir … Was soll ich tun? Hierbleiben? Weggehen – aber wohin? Was für ein schlimmes Unglück … Alles dreht sich …
    GP an Sybil, 28. Januar 1909
    Das arme Mädchen ist heute morgen gestorben … es ist das Ende von allem … ich habe an Ricordi geschrieben, er soll sich darum kümmern und für Elvira etwas tun, denn ich will nie, nie wieder etwas mit ihr zu tun haben. Fühlen Sie mit mir – ich bin ein gebrochener Mann.
    Doria stirbt, nachdem sie von Padre Michelucci die letzte Ölung bekommen hat, am 28. Januar 1909 um 2.30 Uhr nachts (auf ihrem Grabstein steht später – versehentlich – der 29. Januar.)
    Die beantragte Grabinschrift, die aber vom Bürgermeister von Viareggio ausdrücklich nicht erlaubt werden wird, lautet: A Doria Manfredi, fanciulla buona ed onesta che cessò di vivere il 28 gennaio 1909 perché empiamente calunniata. Tu sei morta, fanciulla, ma il tuo onore vivrà in eterno, e coloro che ti hanno ucciso sono ricoperti d’infamia e li ucciderà il rimorso .
    (Für Doria Manfredi, eine gutherzige und ehrenhafte junge Frau, die am 28. Januar 1909 ihr Leben beendet hat, weil sie schändlich verleumdet wurde. Du bist gestorben, Mädchen, aber deine Ehre wird in alle Ewigkeit bestehen, und jene, die dich umgebracht haben, sind von Schande überhäuft und werden von ihrem schlechten Gewissen umgebracht werden.)
    Die Behörde erlaubt nur eine deutlich abgemilderte Version:
    A Doria Manfredi, fanciulla buona ed onesta che cessò di vivere il 28 gennaio 1909. Tu sei spenta, o fanciulla, ma il tuo onore vivrà in eterno.
    Aber auf die wird von den Angehörigen, weil zu lahm und nichtssagend, verzichtet.
    Dr. Giacchi nimmt, wie es Doria von ihm verlangt hat, eine Autopsie vor, die Dorias sexuelle Unberührtheit beweist. Ihr Hymen ist intakt. Die zuvor gespaltene Haltung der Bevölkerung ist nun (obgleich man Dr. Giacchi – Jahre zuvor Giacomos Trauzeuge – ein Gefälligkeitsgutachten durchaus zutrauen könnte und es bei der Autopsie vielleicht außer Dorias Mutter keine weiteren Zeugen gab) komplett auf seiten des Maestros: Eine Rückkehr Elviras an den See scheint damit für alle Zeit unmöglich.

6
    Alfredo

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