Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)
davon spreche ich gar nicht mehr – […]
Gestern haben die Anwälte Campanari und Bettolacci mit Mama gesprochen, um bestimmte ihrer bösen Äußerungen über mich zu klären – es war ein gutes Gespräch, das Mamas falschen Zorn besänftigt hat, es läßt auf die Zukunft hoffen, von der ich mir wünsche, daß sie Grund zum Aufatmen geben wird und daß man zu einer Einigung kommt. Wohlverstanden unter Ausschluß jener Personen, die zur eigenen Verteidigung oder aus Leichtfertigkeit, aus einer ungerechtfertigten, üblen Haltung heraus so viel Zwietracht zwischen Deine Mutter und mich gebracht haben.
Elvira reist nach München, um ein Auge auf den vagabundierenden Tonio zu haben. Puccinis gesellschaftliches Leben beginnt sich derweil zu normalisieren. Er genießt in Mailand (am 20. März) eine triumphale Neuinszenierung seiner Manon Lescaut an der Scala und durchlebt, im selben Haus, die italienische Erstaufführung (6. April 1909) der Elektra von Richard Strauss.
Troppo! Un horrore! schreibt er danach an Sybil. Aber er hat die Oper zu diesem Zeitpunkt erst ein einziges Mal gehört – und wie radikal neu und gewöhnungsbedürftig war jene Musik! Jahre später erzählt sein Freund Bettolacci, GP habe, nachdem er sich die Partitur kommen ließ, die Oper als gelungen und beeindruckend bezeichnet. In künstlerischen Fragen wider besseres Wissen zu urteilen, kann man ihm, im Gegensatz zu etlichen Kollegen, kaum einmal vorwerfen.
GP an Alfredo Vandini, 18. April 1909
Lieber Alfredo,
meine Angelegenheiten? Wie üblich. Man erwartet den Prozeß. Tonio ist nach München gefahren, um dort sein Glück zu suchen. Aber gut, dadurch kommt er aus alldem heraus. (…)
Gestern war ( Dein Bruder ) Guido hier, und von Caselli bin ich überzeugt, daß er so viel Schlimmes verbrochen hat …
Mitte Mai treffen sich Elvira und Giacomo zu einem neuen Gespräch, das wenig bringt. Elvira fordert nach wie vor, er solle sich, wenn nicht öffentlich, so doch wenigstens ihr gegenüber, schuldig bekennen. Inzwischen hat sie wohl erfahren, daß sie nicht nur einer gezielten Desinformation, sondern, viel banaler, einer Verwechslung aufgesessen sein könnte. Gerüchte um eine Affäre ihres Mannes mit Giulia Manfredi haben sie erreicht, was ihrer Meinung nach an den Vorwürfen, die sie Giacomo macht, überhaupt nichts ändern würde, sie seien nach wie vor gerechtfertigt. Daß Doria aber unschuldig gewesen sein könnte, das weist sie immer noch weit von sich, es würde bedeuten, sich selbst und vor allem auch die Tochter Fosca zu belasten. Diese Möglichkeit auch nur ins Auge zu fassen, wäre destruktiv und unnütz.
In mancherlei Hinsicht ist Elviras Haltung logisch, ganz auf den Erhalt der Familie zugeschnitten; der toten Doria nutzen nun mal keine nachträglichen Richtigstellungen. Wenn sie schon tot sei, dann sei sie besser schuldig gestorben. Dergleichen äußert Elvira zwar nicht in Worten, doch laut gedacht schwingt es in den Debatten mit. Es sind rabulistische Versuche, das Mädchen posthum zu instrumentalisieren, als eine Art Bauernopfer zum höheren Ziel der Familienversöhnung. Puccini will darauf nicht eingehen, zugleich begreift er, wenn auch angeekelt, daß es nötig sein wird, Doria eines Tages noch einmal zu begraben, tiefer als nur in zwei Metern Friedhofserde. Vorher jedoch muß vor aller Welt ihre Ehre (und damit auch seine) wiederhergestellt werden, und obwohl er Elviras Verurteilung nicht bewußt herbeiwünscht, weiß er, daß diese ein unverzichtbarer Bestandteil der Aussöhnung sein wird.
Und sei es allein, um den verrückten Dolfino an einem Mordanschlag zu hindern.
8
Puccini findet sich von einer Phase der Stagnation zerrieben, die Fronten bewegen sich nicht wesentlich, alles ist gesagt, wieder und wieder, und Elvira bleibt stur. Die Untätigkeit ist nicht auszuhalten. Versuche, ein wenig zu arbeiten, bringen die liegengelassene Oper nicht voran, erschöpfen sich in routiniertem Handwerk, die Inspiration bleibt aus. Giacomo beschließt zu verreisen, eilt seiner Muse entgegen. Vom 20. Mai bis zum 3. Juni steigt er im Claridges Hotel in London ab, meidet für diesmal das gewohnte Savoy , um das Interesse der Medien nicht willentlich auf sich zu lenken. Sybil wird endlich von allen Details unterrichtet, die er ihr zuvor schriftlich nicht anvertrauen wollte. Sogar die Affäre mit Giulia wird am Rande erwähnt. Sybil umarmt ihn mitfühlend. Weil sie ihren Giacomo kennt, begreift sie schnell, daß er niemals
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