Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)
und staune, seinem Ersatzvater Ricordi sendet. Er möchte dessen Zweifel an Coris reiner Seele zerstreuen und Verständnis für sich wecken, gleichsam väterlichen Pardon erbitten.
Liebster Jack,
wenn Du nicht bei mir bist, bin ich nicht etwa allein, ich bin gar nicht da, existiere nicht. Du kannst meinem Körper Blut einflößen, meinem Kopf Seele verleihen, meinen Lungen Atem.
Wenn Du gehst, werde ich zu einem vergessenen Spielzeug, das im Eck liegenbleibt, unbenutzt, leblos und ohne Sinn, mit gelähmten Gliedern. Eine Wiese, die auf Sonne und Regen wartet, eine verschlossene Blüte, die welk zu Boden hängt, eine frostige Nacht, der kein Mondstrahl heimleuchtet. Du allein besitzt die Kraft, die magisch erweckenden Hände, mich aus der Nichtigkeit meines Daseins emporzuheben zu den Sternen. Komm bald zu mir zurück! Das erlesene Wesen, das ich manchmal bin, kann ich allein mit Deiner Hilfe werden, umgekehrt will ich alles tun, um für Dich jenes Stückchen Glück zu sein, das dir noch fehlt in Deinem großen, von Gott gesegneten Leben. Bist du bei mir, mit mir, in mir, belohnt mich Dein gütiges Lächeln für all jene Tage, die ich hier in irdischer Schäbigkeit und Ödnis zubringen muß. Es küsst Dich von Ferne, voller Sehnsucht, Deine kleine, Dich anbetende Cori
Giulio Ricordi ist die Sache ziemlich peinlich, er äußert sich nicht dazu, erst später, als alles schon fast vorbei ist, wird er von vulgären Schreiben sprechen, aus denen keinerlei Wahrheit verlaute, keinerlei Edelmut durchscheine .
Elvira schien sich, aus Angst vor der sich abzeichnenden Trennung, in die Menage zu fügen. Einmal, in einem Brief zum neuen Jahr 1902, erklärte ihr Giacomo, daß sich die Turiner Beziehung von seiner Seite aus bereits merklich abgeschwächt habe, daß er im Grunde nur sie, Elvira, liebe – aber das war kaum mehr als eine Silvester-Freundlichkeit, eine beschwichtigende Maßnahme, die er der Mutter seines Sohnes zu schulden glaubte. In der Hoffnung, so ein Mindestmaß jener Ruhe zu erreichen, die er für seine Arbeit so sehr benötigt. Zeit und Ruhe.
Daran, daß die Götter einem Künstler nicht dreihundert Jahre zu leben geben, kann man sehen, wie egal ihnen alle Kunst ist . Schreibt er an Cori.
Selbstbewußt und naseweis antwortet sie, daß alles eine Frage der Einstellung sei, wer sein Leben nicht vergeude, könne sicher dreihundert Jahre länger leben als die meisten anderen. In empfundener Zeit.
Die Antwort gefällt ihm. Im ersten Moment. Was will sie sagen? Vergeudet er etwa sein Leben? Meint sie das? Hat sie recht? Warum kann er sich zu einem radikalen Umbruch nicht entschließen? Die lebensbejahende Cori hat es ja soviel einfacher als er. Sie hat schließlich nichts – außer ihm und der Hoffnung. Giacomo fühlt sich oft feige, von bürgerlichen Hemmnissen, von zu vielen schlechten Erfahrungen beschränkt. Es deuten sich die üblichen, natürlichen Diskrepanzen an, zwischen einer, die erst beginnt zu leben, und einem, der bereits ausgiebig gelebt hat. Eine Zeitlang ließ sich alles arrangieren, getragen von der Kraft der Liebe und Begierde, die jede noch so bedrängende Realität auszublenden versteht.
Doch dann.
Vor acht Monaten traf er sich mit der Geliebten in Viareggio, im Hotel Plaza e de Russie . Nach der Liebesnacht unternahmen die beiden einen Spaziergang im nahegelegenen Pinienwald.
Wie eine Wegelagerin war plötzlich Elvira vor beiden erschienen, hatte der Nebenbuhlerin einen Schlag mit dem Regenschirm versetzt. Cori hatte leicht geblutet. So entstand, zum Glück ohne weitere Zeugen, die bis dato peinlichste Situation in Giacomos Leben. Danach hatte er Cori die Ehe versprochen. Oder zumindest lebhaft in Aussicht gestellt. Unter solchen Umständen ja auch das mindeste.
Wer Elvira den Wink mit Viareggio gegeben haben konnte, blieb Giacomo ein Rätsel. Sie schien Spione auf ihn angesetzt zu haben. Seine Paranoia wuchs.
Die Lösung ist dabei ganz einfach und findet sich in einem Brief Elviras an Guido Vandini – 2. Mai 1902 . Darin schreibt sie:
Mein Verdacht war ganz und gar nicht unbegründet. Die Signorina traf in Viareggio ein am Mittwoch abend um elf, und am Donnerstag, selbe Uhrzeit, fuhr sie wieder. In solchen Dingen täusche ich mich höchst selten.
Offensichtlich hat Elvira seine Post kontrolliert. Man fragt sich, warum Guido Vandini, eigentlich ein verläßlicher Freund Giacomos, diesen nicht gewarnt hat. Wahrscheinlich wollte Vandini sich nicht zwischen die Eheleute
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