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Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Titel: Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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entziffern, ich bin so aufgeregt, ich weiß nicht, was ich tun werde. Ich habe Wut für drei bestohlene Landsknechte und Lust, Giulio anzubrüllen, werde ihn zur Rede stellen, werde den Verlag wechseln, irgendetwas Unvernünftiges werde ich wohl tun. Und Elvira, wie könnte ich je wieder mit ihr zusammenleben in einer solchen Atmosphäre des Mißtrauens und der Eifersucht? Mein Werk leidet, die Butterfly ist eine offene, eitrige Wunde, ich werde nie damit fertig werden, bin verzweifelt.
    Also schön. Oder nicht schön. Ich will Dich nicht anlügen; meine Bedürfnisse, Bedürfnisse, die nun mal zum Leben eines sinnesfrohen Mannes gehören, die Piemontesina erfüllt sie, hin und wieder, aber es handelt sich um nichts, was Elvira öffentlich demütigen würde, nichts, worüber vernünftige, erwachsene Menschen keine Einigung erzielen könnten. Und doch kommt es mir nun vor, als würde ich durch einen finsteren Wald gehen, gefangen in klebrigen, ekligen Spinnennetzen. Nichts macht mir noch wirklich Freude. Sehr kummervoll, zerbrochen in Tausende Teile, die nie mehr zusammenfinden werden, so grüßt Dich Dein Freund GP

8
    Giulio Ricordi schweigt, wie nur ein noch junger Greis mit weißem Haupthaar und grauem Schnurrbart schweigen kann, würdevoll, beherrscht, auf subtilste Weise einschüchternd. Lange schweigt er, läßt Puccini toben, als höre er sich dessen Vorwürfe gewissenhaft an und prüfe sie wohlwollend, ja selbstkritisch. Bis zuletzt eine lange Stille entsteht, die er durch scheinbar umherirrende Blicke an sich reißt und in einen Teppich verwandelt.
    Man ist versucht zu glauben, er habe das Interesse verloren, sei müde geworden, er aber rollt, wiederum durch Blicke, die sich nach und nach auf sein Gegenüber gewissermaßen einschießen, die zum Teppich gewordene Stille auf, als habe er erst eine Plattform finden müssen, von der aus er seine Antwort auf angemessene Weise geben kann. Und wie von tiefen, weichen Teppichen gedämpfte Schritte klingen seine Worte.
    Wissen Sie, lieber Giacomo, Sie waren stets wie ein Sohn für mich. Und ich bin selbst – oder war zumindest vor noch nicht allzulanger Zeit – ein Mann in vollem Saft, der für einiges Verständnis hat. Diese Gesellschaft könnte nicht existieren, oder wäre ganz unerträglich, wenn es nicht die kleinen Gärten und Geheimnisse gäbe, die versteckten Fluchtburgen, die gewissen Nischen in der Mauer, in der aparte Halbschattengewächse zu Hause sind und blühen dürfen. Ich habe um Ihren enormen Bedarf an Halbschattigem immer gewußt. Nun sind Sie ein herausragender Repräsentant unsrer Nation geworden, sicher nicht ganz gegen Ihren Willen. Damit einher gehen gewisse Verpflichtungen. Wenn Sie sich hin und wieder eine flüchtige Affäre gönnen, hat gewiß niemand, der eine männliche Seele besitzt, etwas einzuwenden. Die begeisterten jungen Damen möchten intim signiert werden? Schön. Sollen sie. Aber diese Dauerbeziehung! Zu einem niedrigen Fräulein, um nicht zu sagen, einer Proletin! Das, lieber Giacomo, geht nicht. Nein.
    Sie haben mich stets wie einen Sohn behandelt, Signor Giulio. Das ist wahr. Im Guten wie im Schlechten. Jetzt ist jedes Maß verloren. Sie haben nicht das Recht, diese Frau eine lasterhafte Person zu nennen. Diese Einmischung geht zu weit. Viel zu weit!
    Cori sei, stellt Giacomo fest, vor dem Gesetz heiratsfähig, aus redlichem Haus, die Eltern würden sicher ihre Zustimmung geben.
    Sie sei, antwortet Giulio beinahe flüsternd, eine lasterhafte, früh verdorbene Person. Das stehe fest, nur ein Flittchen lasse sich in diesem Alter mit einem viel älteren Mann ein und gebe ihre Unschuld hin.
    Puccini, auf sein Alter angesprochen, ballt die Finger zu Fäusten.
    Signore, ich wiederhole: Sie hatten kein Recht, sich einzumischen!
    Doch, ich mußte. Elvira bat mich darum.
    Bitte? Und Puccini wiederholt noch einmal BITTE ? Als habe er nicht recht verstanden.
    Es ist besser, Elvira sucht Hilfe bei mir als sonst irgendwo. Es ist schließlich auch im Interesse des Hauses Ricordi, daß Ihre Verhältnisse Sie nicht in den Abgrund treiben. Ich kann nicht tatenlos zusehen, wie ein erhabener Künstler sich zugrunde richtet!
    Puccini springt aus dem breiten roten Lederpoltrone, in den er sich eben noch, zögerlich, der Form halber, hineinbequemt hat. Abgrund ? Wovon er da rede? Elvira sei ein Abgrund. Er , Ricordi, sei ein Abgrund. Die Signorina dagegen sei ein wunderbarer Mensch. Ein sinnliches, zartes, empfindsames Wesen!
    Ricordi, nicht daran

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