Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)
mutiert zur toskanischen Männerphantasie. Was an Information über ihre Person später auf dem Schreibtisch Giulio Ricordis landet, stellt sie in schmerzhaft grellem Licht dar, monströs verzerrt.
Dabei ist Giacomo keineswegs nur sexuell fasziniert von ihr, in einem Brief an die Schwester Ramelde gesteht er, sich verliebt zu haben, bis über beide Ohren und darüber hinaus.
Selbst, als er vor Monaten mit Elvira und Stieftochter Fosca in Turin residierte, stahl er sich nachts aus dem Hotel, schlich in ein anderes, um dort Cori zu treffen, die zweite große Liebe seines Lebens. Wenn sie nur fünf Jahre älter wäre! Wie problemlos könnte alles sein.
Die nötige Zeit. Er bemitleidet sich, weil es ihm an der nötigen Zeit fehlt, doch hin und wieder fällt ihm ein, daß auch Cori an seiner Zeitnot leidet. Dann bemitleidet er auch sie, sich selbst aber doppelt.
Ich würde dich gerne glücklich machen, meine Liebste. Ich versuche es ja.
Ach komm, du hast gar keine Arbeit mehr, die Butterfly ist fertig, du machst mir was vor!
Wieso? Nein, leider, gar nichts ist fertig, es ist noch verflucht viel zu tun. Ich wünschte sehr, du hättest recht.
Du hast mir versprochen, sobald die Butterfly fertig ist, trennst du dich von ihr. Sie hat mir die Nase zerkratzt. Die Narbe ist jetzt noch zu sehen!
Wirklich? Jack beugt sich über die Geliebte, sieht nach, da ist nichts, ihre wohlgestalte spitze Nase wirkt unversehrt, von drei, vier Sommersprossen abgesehen.
Die Butterfly ist noch lange nicht fertig, ich schwöre es dir!
Elvira hat von der Affäre schon vor zwei Jahren erfahren, durch Leichtsinn und Zufall. Giacomo und Cori waren im Bahnhof von Pisa, dem Knotenpunkt des norditalienischen Eisenbahnnetzes, beobachtet worden, von einem entfernten Bekannten, der sich prompt veranlaßt fühlte, seine Wahrnehmung an Nitteti weiterzugeben, eine von Giacomos Schwestern, die in Pisa lebt.
Nitteti beschwert sich daraufhin etwas doppelzüngig bei Elvira, warum Giacomo und seine hübsche Begleitung denn nicht die Gelegenheit genutzt hätten und bei ihr vorbeigekommen seien?
Und so weiter und so fort.
Bald wußte die ganze Familie von der Liebschaft, aber Giacomo beendete jede Auseinandersetzung durch Schweigen oder Flucht. Über die Geliebte machte er keine Angaben, außer, daß sie eine Grundschullehrerin und ihr Name Corinna sei. Beides stimmt nicht.
Die Affäre mit Cori war nicht etwa der Beginn einer Krise, nein, schon vor den ersten Treffen mit Cori schrieb Giacomo an Elvira, daß von ihrer Seite nie auch nur ein liebes Wort komme, das ihm Mut mache, daß die schöne Intimität, die sie einmal gehabt hätten, längst Vergangenheit sei. Kalt und launisch sei sie geworden, mißtrauisch, hypernervös und schwierig. Er beschwert sich, daß ihre Verwandten zu lange in seiner Villa hausen würden, daß sie früher zwar nicht wohlhabend gewesen seien, aber für sich und glücklich. Jetzt seien sie beide unglücklich, er sehe keinen Ausweg.
Worte, die nach Trennung klingen.
Giacomo, ansonsten nach seiner Villa in Torre del Lago (gekauft als Bruchbude für preiswerte zehntausend Lire) geradezu süchtig, fühlte sich eine Zeitlang nur auf Reisen wohl. Wäre es anders gewesen, wäre Cori vielleicht nur, wie viele Gespielinnen, eine schnelle Episode geblieben, etwas Unwichtiges, für das sich Giacomo nicht groß hätte rechtfertigen müssen. Als typisch italienischer Mann findet er es völlig in Ordnung, Affären zu haben, sofern die Familie darüber nicht vernachlässigt wird. Aber die Beziehung zu Elvira liegt in Scherben, und Cori scheint ein zur Erde gefallener Engel zu sein, ein Geschenk des Himmels. (Cori sieht das ganz genauso, Gott habe sie seiner Meriten wegen zu ihm gesandt.) Giacomo, wie jedes Opfer einer Midlife-Crisis, gibt sich unendlich Mühe, der jungen Geliebten zu gefallen, leidet dadurch, wenn auch unbewußt, doppelt unter seinem Alter, das er, etwas großzügig, mit den »letzten Jahren seiner Jugend« umschreibt. Cori vermeidet es, ihn den Altersunterschied jemals spüren zu lassen. Was ihr später als infame Strategie ausgelegt werden wird. Mädchen unter zwanzig, heißt es, die einen viel älteren Geliebten nicht gelegentlich aufziehen würden, seien nicht ehrlich, sondern verschlagen.
Ihre Briefe sind, relativ zu ihrer plebejischen Herkunft, von bezirzender Anmut, in jugendlichem Schwung und erstaunlich hohem Ton verfaßt. Giacomo ist von diesen Briefen so berührt, daß er etliche Stellen kopiert und, man höre
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