Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Titel: Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
Vom Netzwerk:
hinterher nichts, überhaupt nichts. Seine Furcht, post coitum könne sie trist und reuig werden, klingt schnell ab, er merkt, daß Cori es genossen hat und mehr noch, es für immer genießen will, daß sie ihm Zuversicht gibt, Energie, auch Verständnis für seine Sehnsüchte zeigt – Cori hört sich seine ständigen Jammereien aufmerksam an, streichelt ihn gern, ist hingerissen von ihm.
    Danach hatte er einige Termine im Umkreis gehabt, fuhr zweimal nach Mailand, kehrte abends aber nach Turin zurück, um das zuvor als einmalig und unwiederholbar eingeschätzte Erlebnis wieder und wieder zu genießen. Er stand unter Adrenalin wie seit zwanzig Jahren nicht mehr, als er der damals noch so hübschen, verheirateten Elvira nachgestellt, ihrem Gatten Hörner aufgesetzt und ein Leben in permanenter Verbitterung beschert hatte.
    Cori begleitete ihn an jedem ihrer freien Tage, nach Mailand, nach Genua, nach Pisa, wo beide am Bahnhof erkannt und denunziert wurden, nach Lucca – und Anfang Juni hatten sie sich sogar in Torre del Lago mit seinen knapp 1500 Einwohnern ( die von GP einmal gebrauchte Angabe: 12 Häuser, 120 Einwohner gilt nur für die Exklave am See ) getroffen. Immer unvorsichtiger waren sie geworden, obwohl sie selbstverständlich in getrennten Abteilen reisten und von den Bahnhöfen aus getrennte Droschken in die Hotels nahmen.
    Heute abend trifft die kleine Cori ein , schrieb Jack seinen willfährigen Kumpanen, sie möchten alles, unter strengster Geheimhaltung, so arrangieren, daß niemand etwas mitbekomme . Im Gegenzug durften seine Freunde einen neugierigen Blick auf die junge, weithin jüngste Errungenschaft werfen.
    Elvira, die die Provinz verabscheut, befindet sich in ihrem geliebten Mailand, als er Cori am 2. Juni 1900 stolz durch seine eben fertig renovierte Villa führt.
    GP an Pagni, 29. Mai 1900 aus Mailand
    Lieber Pagni,
    Freitag abend habe ich vor, nach Torre abzureisen. Komme in Viareggio ungefähr um vier Uhr morgens an. Ich sage, ich habe es vor, weil ich, wenn sich der Fischzug ergibt, in Genua haltmache und also in Viareggio erst am Samstag abend um elf ankomme.
    Ich werde Dir in unserem Jargon telegrafieren und Du wirst verstehen. In jedem Fall komme ich nach Torre, und wenn sich der Fischzug ergeben hat, müßtest Du Dich am Bahnhof von Viareggio einfinden, Samstags um elf, mit einer Kutsche nicht aus Torre, und man könnte nach Torre ohne Aufsehen, quasi maskiert, fahren. Ich werde Dir telegrafieren und bitte darum, Dich mit ein paar Vorräten einzudecken, wie Koteletts, Konserven, Butter, Früchte etc., um ein Abendessen zu improvisieren, nur wir drei allein, und am Morgen, für die Abfahrt, werden wir uns was ausdenken. Du bist unterrichtet. Jetzt warte auf Telegramme, die Dir sagen, wie zu verfahren ist.
    P.S. Wenn der Fischzug nicht stattgefunden hat, treffe ich mit Pieri ein, vier Uhr nachts in Viareggio, Freitag nachts oder besser Samstag mittag. Komm Du dann mit Morino.
    Luigi Pieri und Morino (Plinio Nomellini) sind Kumpane aus Lucca bzw. aus Torre.
    Bald wird Puccini bewußt, ein wenig zuviel riskiert zu haben, seine Leutseligkeit, sein anachronistisch naives Vertrauen in die Freunde schwächt sich ab. Dennoch: Jeden noch so fadenscheinigen Vorwand nutzt er, um nach Turin zu fahren oder sich mit der Geliebten an neutralen Orten zu treffen.
    An den Intimus Pagni schreibt er nach einer dieser Schäferstunden ( 6. Dezember 1900 ), er habe soeben wieder Cori genossen. Un delirio! 7!
    Und er setzt, mehr oder minder poetisch, hinzu:
    Die alten Römer haben es nicht so oft gebracht! Es lebe die Möse, einziger Trost der schmachtenden Menschheit! Die Kunst, die Natur, die Möse! Göttliche Dreifaltigkeit, von der jeder Mann trinken, essen und sich darin suhlen darf. Auf dem Hügel der Venus schlafen! Eine Titte als Kopfkissen! Es lebe die Möse, in die man wie in einen Hausschuh schlüpfen kann! Schrei du nur, ich suche mir immer neue Mösen. Aber die zweiundvierzig stehen vor der Tür … Ich grüße Dich, Giacomo Puccini.
    Der Brief wird ungeahnte Folgen haben. Jene beiden prahlenden Zeichen, 7! – tragen die Hauptschuld daran, daß seine Freunde sich über die zierliche Geliebte Gedanken in ganz bestimmter Richtung machen. Sie muß ja ein echter Feger im Bett sein, allerhand. Ein unersättliches Schlupfloch, brennend vor Leidenschaft. Die Gerüchte fressen sich mit jedem Windzug neue Nahrung an. Die junge, von Giacomo in einem Brief als empfindsam und reizbar geschilderte Dame

Weitere Kostenlose Bücher