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Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Titel: Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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aufgrund deiner Leiche, bitte. Es gibt jetzt eine kurze Übergangsmusik. Danach findet nur noch das Wesentliche statt. Konzentration! Vergeistigung. Abstraktion! Die Szene auf dem Konsulat war ein schwerer Fehler. Das Drama muß ohne Unterbrechung zu Ende gehen, knapp, wirkungsvoll und furchterregend …
    Die meisten Künstler machen den Fehler, das Ende hinauszuzögern wie einen Orgasmus, der dann keiner mehr ist. Sie überreizen das Kunstwerk, wollen zuviel hineinschieben …
    Pin wird sauer. Das klingt wieder alles so apodiktisch wie früher. Nur Befehle, keine Debatte. Du bist betrunken! Oder ist das nur Übergangsscheiße? Wenn wir weiter kürzen, geht jegliche Psychologie flöten!
    Im Gegenteil! Alles rückt zusammen. Dicht wie ein Diamant! Ich seh ihn schon funkeln.
    Giacosa sieht gar nichts funkeln, zerdrückt seinen Stummel wütend im Aschenbecher.
    Du willst meine Poesie opfern! Für eine Schnapsidee! Ich meine nicht irgendwelche hübschen Verse, sondern eine innere, wesenhafte Poesie!
    Der Berufsmasochist Giacosa, seit vielen Jahren an die Launen Puccinis gewöhnt, zur Versöhnung eigentlich mehr als gewillt, sieht sich mit einer neuen Verrücktheit konfrontiert.
    Es ist eine gute Idee, bekräftigt Giacomo. Poesie sei mit einer Traumlogik viel eher verwandt als mit prosaisch profaner Logik.
    Scheiße! Natürlich ist der zweite Akt viel zu lang. Anderthalb Stunden! Aber alles, was er enthält, ist notwendig! Du mußt ihn einfach wieder teilen. Ich habe Jahre meines Lebens an diesem Libretto gearbeitet und bin sehr sehr zufrieden damit. Wenn du jetzt etwas dran ändern willst, dann … dann such dir einen Lohnschreiber von der Straße.
    Eine Minute wird geschwiegen.
    Nein, du, niemand sonst, du wirst das für mich machen. Du wirst es begreifen. Puccini legt ihm die Hand auf die Schulter, Giacosa schüttelt sie ab.
    Das ist delirant! So kannst du mit Gigi umgehen, nicht mit mir. Es wird Zeit für mich!
    Pin erhebt sich, schnauft tief durch, geht, aber nicht aus dem Haus, nur auf die Toilette.
    Ja. Du mußt darüber nachdenken, ich verstehe das, du bist halt so gebaut. Elvira! Hol Tonio. Wir brechen auf! Giacomo sieht auf seine Taschenuhr. Mit strahlendem Gesicht.
    Er könne, sagt er, heute nacht noch an der Oper arbeiten.
    Wie, wir brechen auf? Jetzt? Elvira wundert sich, ist an Gelage bis weit nach Mitternacht gewöhnt.
    Ich hab’ gedacht, wendet auch Guido Vandini ein, etwas enttäuscht, wir betrinken uns noch …
    Später, mein Freund, wenn wir Grund dazu haben. Dann richtig. Wie es sich gehört.
    Caselli, ein Geschäftsmann, Cafébesitzer und Kunstfreund, nebenbei Puccinis brüderlicher Freund seit Kindertagen, schlägt vor, daß doch alle gerne hier übernachten könnten. Es mache keinerlei Umstände. Im Haus stehe ein Klavier, Jack dürfe es, wenn er partout komponieren wolle, gerne benutzen, auch nachts. Halt ohne Pedal, dann gehe das schon …
    Danke, Alfredo! Aber ich muß nach Hause. Ich habe endlich wieder Ideen !
    Während Barsuglia, der in der Zwischenzeit eine Flasche Wein geleert hat, den Wagen vorfährt, wiederholt Giacomo noch mehrmals, daß er endlich wieder Ideen habe. Elvira fühlt sich wegen des raschen Aufbruchs genötigt, die Gastgeberin um Verzeihung für Giacomos Marotten zu bitten, seine Art sei manchmal arg impulsiv, schwer nachvollziehbar.
    Steigt ihr jetzt endlich ein?
    Komm hinter dem Steuer hervor, Topico! Ich dulde nicht, daß du fährst. Wir haben einen Chauffeur. Es ist sein Beruf zu fahren. Wozu bezahlen wir ihn denn? Außerdem hast du getrunken .
    Seinen Kosenamen, Topico , verwendet Elvira nach Jahren wieder, um eine längst Vergangenheit gewordene, partnerschaftliche Zärtlichkeit zu demonstrieren. Sie versteht ihn nicht mehr. Wie hat er früher die Zeit vertrödelt! Nun hetzt er, als gehe sie ihm morgen aus.
    Das sei nun einmal, flüstert Madame Caselli, die Hälfte des Lebens . Einmal dort angelangt, würden Männer jede Sekunde wie eine kostbare Münze betrachten, als seien sie sich ihres Wertes eben erst bewußt geworden.
    Schneller! Schluß mit Geschwätz! Verabschieden können wir uns noch oft!
    Verzeiht, Freunde! Der Maestro ist an neuen Ideen erkrankt!
    Sehr wohl, Signora, kommentiert Barsuglia.
    Ein doch sehr seltsamer Abend, findet Guido Vandini und schlägt vor, zusammen noch ein Glas oder zwei zu trinken.
    Ich wäre dabei, wenn ihr dabei seid! meint Giacosa, wiederauferstanden vom Abort, auf den er sich zum Schmollen zurückgezogen hat. Zusammen stimmen

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