Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)
möge ihr das nicht abschlagen.
Auch der herbeigeeilte Tonio bittet darum: Laß uns alle gemeinsam fahren, Papa!
Giacomo fühlt sich bedrängt. Egal, was ihr denkt – ich fahre wirklich zu Caselli …
Um so besser, meint Tonio. Der Junge klingt etwas vorwitzig, von der Mutter instruiert.
Pin ist dort. Ich treffe ihn wegen neuer Änderungen am Libretto. Das wird ganz langweilig. Ein Gespräch unter Männern. Schlimmer: Künstlern . Entsetzlich fade!
Bitte, Papa! Wir werden euch nicht stören.
Giacomo hat eigentlich keinen Grund, die Bitte abzuschlagen, schließlich seufzt er laut und nickt sein Einverständnis. Elvira streicht ihm dankbar über die Stirn.
Ich muß mich nur noch umziehen! Guido fährt!
Als die beiden im Haus verschwinden, wirft Giacomo die Fahrerhaube in den Sand, zornig auf sich und den von seiner Mutter offensichtlich als Mittel zum Zweck benutzten, manipulierten Sohn, für den es ja nicht den allergeringsten Grund gibt, sich auf so einen Abend zu freuen. Über die Maßen gelangweilt, wird Tonio einsam herumsitzen, während die Männer rauchen, trinken und über Kunst und den Kulturbetrieb reden werden, die Weiber hingegen über Weiberkram. Was ist schlimmer?
Die Idee, Tonio könne sich vor einer bevorstehenden Trennung seiner Eltern fürchten, kommt ihm relativ spät in den Sinn. Wonach sein Zorn sofort verebbt. Beinahe gerührt läßt er den Clément auftanken.
Es wird eine gemächliche Fahrt. Puccini gibt dem Chauffeur mehrmals die Anweisung, ein bißchen mehr Gas zu geben, aus der Karre sei mehr herauszuholen. Guido Barsuglia, ein ruhiger, manche sagen sogar stumpfer Mensch, reagiert nicht. Muß er auch nicht, bei einander widersprechenden Befehlen.
Lassen Sie sich von meinem Mann bitte nicht drängen, Guido! Wir wollen schließlich die Landschaft genießen!
Die Geschwindigkeit, in der sie an der zu genießenden Landschaft vorbeirasen, beträgt fast fünfzehn Meilen pro Stunde.
Puccini, auf dem Beifahrersitz, leidet. Es ist so langsam , murmelt er in sich hinein. Es ist – zu langsam. Alles. In fünfzig Jahren, malt er sich aus, wird die Welt um so vieles schneller sein, Automobile für ganz normale Bürger werden bestimmt das Dreifache leisten, man wird morgens in Paris starten und mittags vielleicht schon die Dächer Londons erblicken. Was für eine Zukunftsaussicht! Und wie erbärmlich die Schnecke Gegenwart, auf deren dünnem Häuschen er jetzt, mehr als nur metaphorisch, durch die Gegend zuckeln muß.
Nach der Visite beim Arzt – der rät, wie immer, zu maßvollerem Rauchgenuß, Tabak könne auf schon entzündete Hälse schädlich wirken – kehrt man mit den Casellis im Restaurant Rebecchino ein, einem der besten Lokale am Ort. Danach – es soll über gewisse Dinge lieber ohne Öffentlichkeit geplaudert werden – fährt man zum Landhaus Caselli, gegen 21 Uhr, wo es eine Art bunten Nachtisch gibt in Form unzähliger Dolce – Kuchen, Bonbons, Pralinen und Schokoladen, dazu wird Tee, Kaffee und Glühwein gereicht. Auch Cognac und Schnaps. Die von Caselli hergestellten Karamelbonbons wurden im Vorjahr einer nationalen Auszeichnung für würdig befunden.
Giacomo trifft auf den »zufällig« anwesenden Buddha und tut überrascht, reicht ihm die Hand. Ein Diener reicht frische wie auch kandierte Früchte. Man nimmt an der kleineren Tafel Platz, Wein wird ausgesucht, Champagner geöffnet. Des Gastgebers Geschäfte laufen nicht schlecht.
Da sitzen, im Uhrzeigersinn, Alfredo Caselli und Guido Vandini, die zwei engsten Luccheser Freunde Puccinis, Giuseppe Giacosa, genannt Pin oder eben auch Buddha , ein beleibter, vollbärtiger Mann, erfolgreicher Dramatiker, Librettist und zur Zeit ein nur ehemaliger Freund Puccinis. Dann der Maestro selbst, Elvira am Fußende der Tafel, schließlich vollenden Tonio sowie die Gattinnen Vandinis und Casellis das Oval. (ANM. 3)
Wann kommt dein neuer Wagen?
Dieses Jahr noch, hoffe ich. Rückwärtsgang! Habt ihr davon schon gehört?
Keiner hat davon gehört. Rückwärtsgang – wofür soll das denn gut sein?
Giacosa und Giacomo haben den Abend über kein Wort miteinander gewechselt, selbst der Händedruck war schlaff und knapp ausgefallen. Giacosa fühlt sich durch dieses Schweigen ausgegrenzt, erwartet ein gewisses Entgegenkommen, vielleicht sogar eine wenigstens angedeutete Entschuldigung, sieht nicht ein, daß er den ersten Schritt tun soll.
Plötzlich bricht das Eis. Puccini wendet sich, fast beiläufig, nach rechts, klopft ihm an den
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