Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)
derlei dezidierten Anweisungen nicht vertraut, üblicherweise geht der Maestro ja jedem Konflikt aus dem Weg, beschließen Ida und Beppe, nach intensiver interner Diskussion, hier nicht länger vermitteln zu wollen, es trage letztlich keine Früchte. Mit Gewalt lasse sich schon gar nichts lösen. Elvira denkt kurz daran, das von der Schwester angebotene Asyl zu akzeptieren, dann weist sie den feigen Gedanken von sich, beschließt statt dessen zu bleiben, um ihr Revier zu kämpfen. Was hat sie denn sonst vom Leben? Was?
Seinem Freund Beppe ruft Giacomo noch hinterher, sein Zorn richte sich nicht gegen ihn, er sei hier jederzeit willkommen. Beppe antwortet, mit diesem Angebot werde Ida beleidigt, und GP wiederum antwortet, ja, schon, aber nicht Ida an sich , eher die zecken&heuschreckenhafte Sippschaft der Bonturis im allgemeinen. Bis eben seien noch Elviras Geschwister Zeffiro und Livia im Haus gewesen, alle kämen sie an, die bewundernden Verwandten, immer öfter, bewunderten die Villa, machten es sich gemütlich bei der Bewunderung der Villa, legten sich schlafen zwischen einer Bewunderung und der anderen. Und manche jener Bewunderer seien nicht einmal verwandt mit ihm!
Seltsamerweise – sobald Ida und Beppe sich verabschiedet haben, kehrt so etwas wie Ruhe ein. Giacomo, der harmoniebedürftige Mensch, schlurft in den Salon, verlangt mit höflichen Worten nach Essen und Kaffee, gibt Elvira gar einen Kuß auf die Wange, tut standhaft so, als sei weiter nichts geschehen. Sein Wunsch wird an die Dienerschaft weitergeleitet; einige Tage lang herrscht vornehmes Schweigen. Elvira ahnt wohl, auf welch tönernen Füßen ihr Anspruch ruht. Sie gibt sich mit der entstandenen Farce zufrieden. Vorerst.
10
Vater, du solltest die Sache mir überlassen. Du hast ihn immer viel zu sanft behandelt. Seine antriebsschwache Natur benötigt gewisse … Tito schnippt mit zwei Fingern, ringt um den passenden Begriff.
Was?
Anstöße. Tatsachen. Entscheidungen. Er ist im Innersten dankbar dafür.
Ja? Es gibt Grenzen, Tito. Manchmal hab ich Angst, was passiert, wenn du den Verlag einmal übernimmst.
Ich sehe klar voraus! Und rede nichts schön. Seien wir pragmatisch! Tito deutet mit gekrümmtem Zeigefinger auf das nun entstandene zweiaktige Libretto vorläufig letzter Fassung.
Ich finde es eigentlich gar nicht so schlecht.
Ach nein? Giulio nickt, vom Urteil des Sohnes überrascht. Er denkt ja ganz ähnlich.
Sicher enthalte es Möglichkeiten, aber bleibe doch ein minderwertiges Sujet, ein Federgewicht. Leider.
Es sei zu krass, zuviel häßliches Leben, zuwenig schöne Oper, meint Tito. Es müsse hier und da abgerundet, gefälliger werden. Und der neue zweite Akt sei ein Monster, das es zu zügeln, zu zähmen gelte. Du wirst Toscanini bitten, ihm dies zu sagen. Auf Toscanini hört er manchmal. Und die Regie muß die Ödnis, infiziert von Debussy und dem Pariser Pack, die Längen im zweiten Teil, bekämpfen, mit starken Effekten, ich habe da meine Ideen, überlaß das mir!
Giulio wiegt den Kopf. Ich kann Puccini nur zuraten, aber ihm nichts vorschreiben, Sohn. Er ist zornig genug auf mich.
Als Verleger hat Giulio Ricordi stets den eisernen Grundsatz befolgt, demzufolge ein Künstler, solange er Erfolg hat, letztlich auch recht hat, egal, womit. Denn der Künstler ist von Gott gesandt, und sein Erfolg ist der Beweis von Gottes Segen. Auf diesem Gebiet denkt Giulio Ricordi calvinistisch. Was sich mit nüchternem Unternehmergeist problemlos verträgt.
Ich kann dieses Werk retten, Vater, und ich werde es dir beweisen!
Nein, Tito. Laß ihn jetzt in Ruhe. Falls diese Butterfly ohnehin nicht zu retten ist, sollten wir ihm hinterher nicht als Ausrede dienen können. Wir sind zu weit gegangen.
Im Gegenteil! Im Gegenteil!
Sei still jetzt. Bitte!
11
Es ist der Nachmittag des 25. Februar. Puccini setzt sich die Fahrerhaube auf, um einer Einladung seines Freundes Alfredo Caselli ins nahegelegene Lucca zu folgen. Vorher will er wegen seiner chronischen Halsschmerzen einen Spezialisten aufsuchen, danach ist eine scheinbar zufällig zustande kommende Aussprache mit dem immer noch gekränkten Librettisten Giacosa geplant, der, laut Caselli, zaghafte Signale gesetzt hat, sich vielleicht doch wieder versöhnen zu wollen.
Du fährst nach Lucca?
Ja.
Elvira weist darauf hin, daß Casellis Einladung der gesamten Familie gegolten habe. Es wäre, sagt sie, ungewohnt sanft, eine Gelegenheit, den Familienzusammenhalt zu demonstrieren, Giacomo
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