Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)
ihr ein Treffen im Laufe des Herbstes, bei geeigneter Gelegenheit, möglicherweise vor seiner geplanten Reise nach Paris, zur dortigen Erstaufführung der Tosca . Aber in der Langeweile seiner Krankheit geschieht, wider seinen Willen, etwas Eigenartiges. Die schon fast abgestorbene Glut seiner Gefühle für Cori flackert wieder auf, sachte erst, doch mit jedem Brief, den er ihr nun schreibt, erinnert er sich an die schönen Jahre mit ihr als dem denkbar größten Gegensatz zu seiner jetzigen Lage. Sie schreiben sich bald wieder drei- bis viermal die Woche. Cori hofft, daß ihre Aktien, wenn der Geliebte erst wieder laufen kann, steigen werden, und vermeidet jeden bitteren oder vorwurfsvollen Ton, geht ihrem Giacomo um den Bart, schreibt ihm, was er hören will, pflanzt ihm auf angenehmste Art ein schlechtes Gewissen ein.
Puccinis Entourage bekommt davon bald Wind, zeigt sich über die neue Entwicklung erschüttert. Vor allem Illica fühlt sich in die Verantwortung genommen. Mehrmals beschwört er Giacomo, gemachte Fehler einzusehen, Konsequenzen zu ziehen und ein neues Leben zu beginnen. Was dieser auch jeweils verspricht. Illica geht noch einen Schritt weiter und bittet den gemeinsamen Freund Luigi Pieri darum, doch mal Corinnas Lebenswandel unter die Lupe zu nehmen, ihm seien da gewisse Gerüchte zu Ohren gekommen. Behauptet er ins Blaue hinein. Eine gesunde Zwanzigjährige, die die meiste Zeit des Jahres in Enthaltsamkeit verbringen muß, wird sicher irgend etwas zu verbergen haben.
Pieri hält entgegen, er selbst könne da nicht tätig werden, leider, Corinna kenne ihn bereits und schätze ihn nicht, so etwas müsse man von professioneller Seite erledigen lassen. Illica will jedoch nicht auf eigene Faust handeln, soviel Freiheit mag er sich dann doch nicht erlauben. Eine mögliche Observierung Corinnas erwähnt er gegenüber Giacomo als Idee, ohne näher zu begründen, warum diese nötig sei. Und prompt erinnert sich Giacomo daran, daß Corinna im vergangenen Jahr tatsächlich eine kleine Affäre gehabt hat, mit einem gewissen Signore Aimone, die Sache, zufällig ans Licht gekommen, hat ihn damals kurz verstimmt, aber nicht wirklich überrascht. Und nun? Er überlegt sich die Sache.
Anfang Juni trifft in Torre, nach Monaten der Grabesstille, ein recht sonderbares, endlos langes und gewundenes Schreiben Giulio Ricordis ein. Natürlich ist auch ihm nicht entgangen, daß die Affäre zwischen Giacomo und Corinna in eine neue Runde gegangen ist.
Giulio Ricordi an GP , 30. Mai 1903
Sie werden sich sicher über mein langes Schweigen gewundert haben: Wer weiß, was Sie von mir gedacht haben! Nun gut, mein langes Schweigen wird sich Ihnen jetzt durch das erklären, was letzten Sonntag geschehen ist, das erneute Eingipsen Ihres Beines und die von den behandelnden Ärzten verkündete Prognose, eine Prognose, die, wenn Sie Ihnen Anlaß zum Schmerz war, es nicht weniger für Ihre Freunde und insbesondere für mich war, der ich besorgt die einzelnen Abschnitte Ihres Leidensweges verfolgte. Die ständigen Fragen, mit denen ich mich an Personen der Wissenschaft gewandt hatte, die täglichen Nachforschungen, gaben mir immer Anlaß zu der Befürchtung, daß sich jene Reaktion der Vitalität, die einzig und allein zu einer einigermaßen schnellen Genesung führt, noch nicht gezeigt hatte! Sicher ist die undenkbare und verfluchte Katastrophe, die Sie getroffen hat, der Hauptgrund für Ihren jetzigen Zustand, aber das war schon durch die Vorgeschichte bestimmt, so wie die Umstände danach dazu beigetragen haben, daß der Zustand sich nicht verbesserte.
Teurer Puccini, Sie sollten sehr tief in das in Ihnen verborgene intimste Bewußtsein vordringen – und werden dann die schmerzlichen Worte sprechen müssen: Mea Culpa!! Und Sie werden sich auch an das erinnern, was ich Ihnen mehrere Male gesagt habe, auch an die mir gemachten, hochheiligen Versprechen und die wiederholten Beleidigungen, die an mich gerichtet waren, da Sie das mir gegebene Versprechen nicht einhielten.
Sie wissen nur zu genau, dass ich kein Schönredner, Pedant, predigender Franziskaner bin, sondern ein Mann von Welt und lebenserfahren genug, um schweigend zu betrachten, einzuschätzen und zu verzeihen. Jedoch gibt es im Leben eines Mannes, in den Pflichten sich selbst gegenüber, Grenzen, die man nicht übertreten sollte, da jenseits dieser der Verfall jedes Moralgefühls, der Untergang des Gedankens, die Verrücktheit oder der Kretinismus drohen!! …
Ja,
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