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Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Titel: Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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verurteilen Sie meine Worte, seien sie von lebendiger Zuneigung inspiriert oder von finanziellen Interessen vorgegeben, das ist nicht wichtig! … Genau deshalb sind sie der Ausdruck der Wahrheit! … Ob Sie sie dankbar aufnehmen oder als undankbar empfinden, das kümmert mich nicht! … Ich habe dem Luft gemacht, was sich seit langem in meinem Herzen angehäuft hat, mich viele, viele Male weinen und mich schlaflose Nächte verbringen ließ!! … Man muß doch weinen bei dem Anblick des allmählichen Verlusts eines geliebten Künstlers, jenes Maestros, von welchem das Vaterland, die Welt, die Kunst mehr will, da er viel mehr geben kann und muß!! – Ist das nicht eine schreckliche Sache? … Ist das nicht eine Sache, die ihn aufwühlt und ihm den Geist für den richtigen Blick auf das öffnet, was seine hochheilige Pflicht ist zu tun? …
    Weiter will ich nicht insistieren – wenn all das, was ich Ihnen heute zu schreiben gewagt habe, keinerlei Einfluß auf Ihre Gesinnung hat, bleibt mir nur auszurufen: Wir Armen!
    Der ausgezeichnete, der freundliche Professor Guarnieri hat mich immer informiert, da er nur zu gut wußte, mit welcher Angst ich die Neuigkeiten erwartete. Wenn die letzte Untersuchung für uns alle schmerzlich entmutigend war, stelle ich mir vor, wie sie erst für Sie, Armer, gewesen sein wird! … Dies darf jedoch nicht Anlaß sein, den Mut zu verlieren: Im Gegenteil – man muß mit aller Kraft, mit Mut, physisch und moralisch zurückschlagen: Es ist eine Eroberung, die machbar ist, die man machen muß. – In dieser Angelegenheit gilt mehr als sonst: »Können und Wollen«.
    Ich glaube, die behandelnden Ärzte haben Ihnen auch die Gründe genannt, die die Genesung verzögern: eine versiegte Quelle ist es – es fehlen jene Elemente, die die Knochen zusammenhalten und festigen! – (Soweit ist es gekommen!) – doch der eigentliche Organismus ist da, dazu bereit, daß es besser wird, bereit, die Lebenskräfte wieder pulsieren zu lassen. – Dieser Zustand ist sicherlich schmerzhaft, ziemlich schmerzhaft ! … Und doch, bezwingen Sie ihn, mit dem Willen, mit eisernem Willen. Daß Ihnen die moralischen Zerstreuungen zu Hilfe eilen mögen: Sind wir nicht alle da für unseren Giacomo? Möchte das arme Bein immer noch verbunden sein? … Ist immer noch eine regungslose Position erforderlich? … Gut, wir finden eine Möglichkeit, daß Sie sich das Klavier zunutze machen können: sich ablenken, Klänge finden, Melodien ersinnen, und nach und nach die Arbeit wiederaufnehmen: all das jedoch ohne Anstrengung, ohne Unruhe, ohne störende Nervosität – und dann wird dies ein großer Beitrag zu Ihrer Genesung sein.
    Und wird es dann nicht möglich sein, sich in den heißen Monaten in die Berge zurückzuziehen? … Sauerstoffreiche, erholsame Luft zu atmen? … Es wird vielleicht ein Opfer bedeuten, doch ist die Wiedererlangung der Gesundheit dieses Opfer nicht wert? …
    Tito ist gestern erst zurückgekehrt: In zwei oder drei Tagen treffen wir uns mit Giacosa, danach wird dieser mit Tito zu Ihnen kommen – und ich hoffe, daß unsere teure Butterfly Ihnen noch bald entgegenkommen wird – und Sie in ihre Arme schließen wird, in einer gesunden und ruhmvollen Umarmung.
    Wer weiß, wie oft Sie ungeduldig und empört zusammengezuckt sein werden, wenn Sie meinen nicht enden wollenden Brief gelesen haben!! … Armer Junge! – Ich bereue nichts: Mein Herz schlägt ruhiger, mein Geist ist ruhiger, und ich spreche zu meinen Worten: Geht – und dringt in sein Herz und überzeugt ihn, im Namen Gottes, von der großen, echten, loyalen Zuneigung, die euch diktiert hat, wie ich ihn mit gleicher Zuneigung zärtlich umarme.
    Ein abermaliger, unerhörter Eingriff in Puccinis Privatsphäre ist jener Brief, der ihn tief verletzt, den er mit keiner Zeile beantwortet. Wenigstens nicht direkt, sondern nur, sozusagen, über Bande. Gegenüber Illica versucht er die Sache sogar schönzureden:
    GP an Illica, 4. Juni 1903
    (…) Auch Signor Giulio hat sein Schweigen endlich gebrochen und mir einen langen Brief geschrieben – eine richtige Anklageschrift! – aber weder überzeugend noch der Wahrheit entsprechend – und … recht, recht wenig großmütig einer gewissen Person gegenüber … – ohne Beweise darf man niemanden in dieser Weise beschuldigen – aber alle möglichen Einflüsterungen und unwahre Behauptungen haben ihn wohl zu hart urteilen lassen. Auch was er von meiner Krankheit hält, entspricht nicht der Wahrheit.

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