Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)
fühle, auf meinem Freigang! Diese Luft. Ich liebe dieses Kaff! Gibst du mir eine Zigarre, Pin? Setzt euch doch. Also. Es bleibt dabei. Die Oper kommt in der nächsten Spielzeit. Wir haben viel zu tun. Der Schluß muß noch einmal bearbeitet werden. Nein, damit meine ich nicht gekürzt. Pin, ich brauche noch Text für eine Arie, eine große Arie, ungefähr, ein schöner Tag wird kommen, und alles wird gut sein, so oder so ähnlich, gestreckt auf zwölf trochäische Verse, dreihebig, kannst du das machen? Und möglichst bis gestern?
Was? Das ist nicht dein Ernst, oder? Wir waren uns doch endlich einig …
Ich mach es, murmelt Luigi, mit einem pseudo-boshaften Seitenblick auf den Kollegen.
Weiß Gott, murmelt Pin. Huren können immer. Machs ihm, Luigi!
Mach ich. Übrigens, Jack, ich hab hier einen Brief für dich. Von – du weißt schon. Sie bittet mich um Hilfe.
Giacomo reißt Illica den Brief aus der Hand, verstaut ihn in der Brusttasche.
Willst du ihn nicht lesen? Ich hab ihn zwei Tage lang angewärmt.
Später! Das Wichtige zuerst.
Pin und Gigi wechseln bedeutungsvolle Blicke. Es hat den Anschein, als finde ihr Jack zurück zu alter Form.
Weil das Bein zu langsam heilt, merkwürdig langsam, wie bei einem alten Mann, wird ein neuer Spezialist zu Rate gezogen, Professor Novaro aus Genua, der den Komponisten einlädt, in seiner Praxis eine Kur, bestehend aus Massagen und Eiswasser, anzutreten. Die Behandlung wirkt, aber wegen der tausend Lire, die ihm der Professor in Rechnung stellt, ist Puccini erbost. An die Krücken hat er sich inzwischen leidlich gewöhnt. Er ahnt nicht, daß es noch fast zwei Jahre dauern wird, bis er sie zerbrechen und verbrennen kann.
Je mehr Zeit vergeht, desto verzweifelter wird Coris Tonfall. Vereinzelt klingen Drohungen durch, vorerst in der Maske naiver Fragen.
Wenn Jack es schaffe, nach Genua zu fahren, wieso nicht auch nach Mailand? Er hätte sie ja ebensogut nach Genua bestellen können, wie früher auch. Sein Argument, Elvira begleite ihn, und die neue Kammerzofe, von der er noch nicht wisse, ob man ihr trauen könne – klinge arg nach Ausflucht.
Verlorener Geliebter,
nie würde ich Dich daran hindern, Dich ganz der Butterfly hinzugeben, ich habe doch immer ebensoviel Verständnis wie Begeisterung für Deine Arbeit gezeigt. Du könntest an meiner Seite ein gutes Leben führen, Giacomo, ich würde mich als nützlich erweisen und für Dich da sein. Selbst diese Komödie der bevorstehenden Heirat könnte ich notfalls akzeptieren, selbst wenn Du dabei bist, auch noch mit dem gesunden Bein in eine Bärenfalle zu treten. Begriffe ich bloß, was dich bewegt, Dein Leben mit einer Frau zu verbringen, die für Dich so gar nicht erschaffen wurde. Deine Bequemlichkeit und Feigheit, was Konflikte betrifft, sind leider nichts Neues für mich, ich fände mich wohl ab damit. Womit ich mich keinesfalls abfinden werde, ist, daß unsere große, leidenschaftliche Liebe ein solch unwürdiges Ende nehmen soll. Du magst es vergessen haben, aber vor noch nicht allzulanger Zeit hast Du mir, sogar schriftlich, die Ehe versprochen. Ich könnte Dir, wäre es meine Art, etlichen Ärger bereiten. Du schuldest mir zumindest eine Aussprache, ein Treffen, sollst mir in die Augen sehen, darauf habe ich ein Recht. Ich glaube, daß Deine physische Krankheit sich in eine psychische verwandelt hat, und hoffe, daß mit der Gesundung Deines Leibes auch Deine Seele wieder aufblühen wird. Sonst, denk an meine Worte, werde ich sterben, und Dir dennoch begegnen, wie eine der rachsüchtigen Villi dem treulosen Tenor. Laß es soweit nicht kommen, um Deiner selbst willen, ich liebe Dich aufrichtig, Deine Cori.
Giacomo fühlt sich durch die Anspielung auf seinen Erstling, Le Villi , unangenehm berührt, um nicht zu sagen: getroffen. In jener Oper verläßt der Bräutigam, um eine Erbschaft anzutreten, die Braut, wie er verspricht, für nur einen einzigen Tag, vergisst sie prompt in den Armen einer anderen, feiert eine obszöne Orgie , die Braut stirbt an Sehnsucht, und als der Treulose zurückkehrt in die heimischen Wälder, empfangen ihn die Villi , Geister von Bräuten, die vor ihrer Hochzeit verstorben sind, rachsüchtige, grausame Wesen aus dem Zwischenreich, die mit ihren Opfern so lange tanzen, bis diese tot umfallen.
Derlei düster-bedrohliche, auf ihn zielende Gleichnisse kann Giacomo in dieser Phase der Arbeit partout nicht brauchen, also lenkt er halb ein und bittet Cori, Ruhe zu geben. Er verspricht
Weitere Kostenlose Bücher