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Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Titel: Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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verrückte Carignani, jetzt das! Rede endlich! Rede zu mir, ich bitte Dich!
     
    Liebe Cori,
    Du hast recht, die Dinge laufen aus dem Ruder, ich kann nichts dagegen tun. Es stimmt, ich will Dich nicht belügen, Elvira bereitet schnurstracks die Hochzeit vor, sie soll stattfinden, sobald die Trauerzeit vorüber ist, im kommenden Januar. All das ging von ihr aus, sie hat mich nicht gefragt, hat mein Einverständnis frech vorausgesetzt, hat es den Reportern diktiert. Was hätte ich tun sollen, hier ans Bett gefesselt? Ihr wäre sonst etwas zuzutrauen gewesen! Nenn mich einen Feigling, nenn mich schwach, Du hast recht. Wie anders wäre mein Leben verlaufen, würde nicht einem Reh eingefallen sein, vor uns die nächtliche Straße zu kreuzen. Das alles ist so lächerlich und demütigend, niederschmetternd. Eine böse Sache, aus der man etwas Gutes machen muß, wenn man nicht verzweifeln will. Ich habe Dir zweihundert Lire angewiesen, fürs Erste. Natürlich sollst Du nicht arbeiten müssen. Einmal waren wir Götter, geliebte Cori, aber als Menschen sind wir aufgewacht. Das Schicksal kümmert sich nicht um die Beweggründe unsrer Herzen.
    Die Entscheidung ist mir sehr schwergefallen. Aber im Grunde muß sich zwischen uns gar nichts ändern. Ich werde Elvira heiraten, um sie zufriedenzustellen, sie und ihre und meine Entourage und die Zeitungen und Ricordi und die gesamte bigotte Nation. Meine Liebe gehört weiterhin Dir, sofern Dir an ihr noch etwas liegt. Es geht nicht anders. Versteh mich bitte, denk schlecht von mir, eine Weile lang verfluche mich, wenn Du willst, aber gedenke gelegentlich der schönen Jahre, die wir zusammen hatten. Wir können uns wiederfinden, wenn wir wollen und Geduld beweisen, ich küsse traurig Deine Stirn, Dein Scheusal.
    Ramelde an Illica, Anfang April 1903
    (…) meine Schwester Iginia meint, der richtige Weg für meinen Bruder sei, ihn in die Gemeinde Jesu zurückzubringen, ich bin viel eher der Ansicht, daß eine schnelle Heirat mit Elvira das Beste ist. Nun schreibt das Gesetz für Witwen eine zehnmonatige Wartefrist bis zur Wiederverheiratung vor. Ich bitte Sie, nein, ich frage höflich, ob es nicht über gewisse Kanäle möglich wäre, eine königliche Ausnahmegenehmigung zu erlangen. (…)
    Illica an Ramelde, Mitte April 1903
    Liebe Signora, sicher wird weder der König noch irgendein Minister in dieser Sache einen Dispens gewähren, denn dies würde einen klaren Fall von Machtmißbrauch bedeuten. (…)
    An Giacomo habe ich geschrieben und ihm zu bedenken gegeben, daß eine Rückkehr zu der Piemontesin für ihn sehr gefährlich werden kann, denn es ist klar, daß sie, wenn die Affäre von neuem beginnt, jetzt, wo sie weiß, wie leicht das Fischlein entschlüpfen kann, darüber nachdenken wird, ein Netz auszulegen, das den Fisch einfängt, ob er will oder nicht.
    Diese meine ›piemontesischen‹ Betrachtungen sollen aber die letzten sein, denn im Moment ist Giacomo außer Gefahr, und was er am wenigsten braucht, sind Freunde, die ihm Moralpredigten halten.
    Darüber hinaus kann ich Ihnen nicht verschweigen, daß Elvira mir auf die Nerven geht. Ich glaube, wenn sich Puccini so benimmt, wie ers tut, dann bedeutet das eben, daß Elvira unfähig war, sich seine Liebe und Achtung zu erringen. Die Leute haben immer die Regierung, die sie verdienen; und so ist es auch bei Elvira. (…)
    Antwortbrief Rameldes, 21. April 1903
    (…) In der Tat ist Pieri an einem guten Punkt: Er bietet Giacomo an, mit Piemont zu verhandeln, und Giacomo gibt ihm freie Hand, jedoch unter der Auflage, die Empfindlichkeit der Signorina zu respektieren. Giacomo kündigt die Hochzeit an – und die Signorina lehnt sich dagegen nicht auf, verlangt aber ein Treffen, dem Elvira wahrscheinlich nicht zustimmen wird. Jedenfalls gehen die Ausflüchte weiter, was beweist, daß Giacomo lieber auf das Objekt verzichtet als auf das Vergnügen, das es ihm bereitet. Wie Sie sehen, war das genau Ihre Rede, die ich prophetisch nennen würde, wäre sie nicht die Frucht allgemeiner Lebenserfahrung und der besonderen Kenntnis des Wesens meines Bruders. (…) Aber wie alles einen Anfang hat, hat alles ein Ende, und so wird sich der Ärger mit Ricordi lösen lassen, danach der mit Corinna, dann die Heirat, dann das Bein.
    Doria klopft, betritt das Zimmer, nimmt verwelkte Blumen vom Fensterbrett.
    Der Frühling, dieser herrliche, durchs Fenster sehnsuchtsvoll beobachtete, ungenutzt verstrichene Frühling, geht vorbei. Bald wird es heiß

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