Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)
mein lieber Giacomo, Sie mußten kämpfen, widrigen Umständen trotzen – und welcher Künstler hat dies nicht mehr oder weniger getan? – Doch Sie hatten auch das Glück, schnell an jenes Ziel zu gelangen, für das viele andere, die später zu den Großen gehörten, sich viel mehr abmühen mussten, um es zu erreichen. Ihre natürliche Güte, die Jovialität des Charakters, die offenen, angenehmen Gesichtszüge, beschieden Ihnen weiteres Glück, jenes, von treuen und wohlwollenden Freunden umgeben zu sein: eine sehr seltene Sache! Aber all dieses Glück, wenn es wirklich auf Ihr Verdienst zurückgeht, führte auch zu dem Vergehen, nach und nach einen launenhaften und wankelmütigen Jungen aus Ihnen zu machen! … Aber leider waren sie nicht mehr angebracht, die Torheiten, die Schläge auf den Hintern! … Puccini, der der moderne Rossini hätte sein können, das heißt wirklich Imperator musicae , war daran, ein unglücklicher Donizetti zu werden! ( Anm.: Donizetti starb an Syphilis )
Erinnern Sie sich doch, in Gottes Namen, daran, wie viele Male ich es Ihnen sagte, als Sie hier waren, in meinem Büro, hier vor meinem Angesicht, im Sessel zusammengesunken, körperlich und moralisch erschöpft!!
Nein, das war nicht jener Puccini voller Lebendigkeit, in seine Kunst verliebt, vollkommen durchdrungen vom Schaffensdrang, dem Bedürfnis, Melodie an Melodie zu reihen und vor sich einen vor Licht strahlenden Himmel zu haben! …
Oh! Ich weiß es genau … Sie werden denken, sagen, daß ich ein Visionär war, ein Verrückter damals, so, wie ich heute ein gefühlskalter Plagegeist bin! Das sind die Überlegungen starrsinniger Knaben, sie denken und schreien: der gemeine Papa! … Glück jedoch haben jene, die der gemeine Vater auf den rechten Weg führt.
Aber war ich denn verrückt? Doch warum hätte ich in Ihnen einen anderen Puccini sehen sollen! … Ach! Nein, nein und nochmals nein!: – Dies war die hochheilige Wahrheit! – Ihrem starkem Organismus gelang es, von Zeit zu Zeit zu reagieren: aber nicht weniger wahr war es, daß Sie einem schrecklichen Abgrund entgegenstürzten.
Die äußerst schmerzliche Katastrophe ist geschehen! … Und siehe da, meine Befürchtungen sind durch ihre grausame Offensichtlichkeit bestätigt! Ein Mann von so schöner und kräftiger Erscheinung, in den besten Jahren, gestützt von allen vorstellbaren Behandlungen, erweist sich bar jeder Lebenskraft, Reaktion: ist ein verbrauchtes, zerrissenes Wesen – und wir verbringen Tage und Stunden in der furchtbaren Angst vor dem sich ankündenden Übel, das einen gefährlichen körperlichen Verfall bedeutet, der oftmals nicht mehr rückgängig zu machen ist … und die vergossenen Tränen sind echt! … unterdessen gibt es noch andere schmerzhafte, unheilbare Wunden, die mir zugefügt werden, so sehr, daß es mich verwundert, immer noch dazu bereit zu sein, auf dem Feld der Kunst und der Freundschaft zu kämpfen.
Ja, teurer Giacomo, die Freundschaft, denn es sind Sie, gegen den ich hier ankämpfe, und ich frage mich ängstlich, ob ich einer solch großen Freundschaft nicht einen heftigen Schlag versetze! … Und doch, mein Gewissen, die wahre Zuneigung, die ich für Sie fühle, die unbegrenzte Wertschätzung, die ich für den Künstler empfinde, die persönliche Sympathie, sie drängen mich dazu, zu sprechen, Ihnen das zu sagen, was mir schwer auf dem Herzen liegt, seit Monaten mir meine Seele betrübt! – Es ist eine unumstößliche Tatsache, daß Sie der Verräter Ihrer selbst sind, daß Sie Ihren Freunden, Ihrem Vaterland, der Kunst gegenüber undankbar sind! Mit Ihren eigenen Händen zerreißen Sie Ihre eigene Flagge und sind so blind, daß Sie es nicht merken, Ihre Freunde in Feinde verwandeln und unendliche Schmerzen und Unbehagen verursachen!
Das soll diejenigen, die Sie gern haben, nicht betrüben? … Ihnen keine schmerzhaften Stiche versetzen … und ich darf nicht den Mut haben, jeder Gefahr zu begegnen und laut zu sprechen?
Leider scheint es mir, daß Sie sich in den sehr langen Stunden und nicht enden wollenden Tagen, die Sie unglücklicherweise zur Regungslosigkeit verdammt verbringen mußten, kein richtiges Bild von Ihrem tatsächlichen, körperlichen Zustand gemacht haben. Das verstehe ich: Bis zu jenem Zeitpunkt mit einer guten Gesundheit ausgestattet, konnten Sie es immer ein wenig übertreiben, ohne daß daraus für Sie empfindliche Konsequenzen folgten – so kann man Ihre Hoffnung rechtfertigen, daß Sie auch dieses
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