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Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Titel: Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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kümmert.
    Brief Luigi Pieris an GP,
Turin, 23. August 1903
höchst privat!
    Lieber Giacomo,
    der Freund hat nicht geschlafen, wie man seinem Schweigen hätte entnehmen können. Ich bin dem Paar heute zufällig über den Weg gelaufen und fand ihn und seine Gattin höchst wachsam, aber immer bereit, sich beim geringsten Verdacht der Signorina zurückzuziehen, die, wie du ganz richtig gesagt hast, gewitzt ist, verletzlich und übervorsichtig, so sehr, daß sie auf der Straße die seltsame Gewohnheit pflegt, anzuhalten und sich umzudrehen, auch völlig überraschend.
    Ich übermittle Dir den Tagesbericht, aus dem du ersehen wirst, daß über dessen Wahrheitsgehalt kein Hauch des Zweifels möglich ist. Ich selbst bin an Ort und Stelle, vielmehr habe ich ganz in der Nähe vorläufig Quartier bezogen, um mich wegen des Hauses schlau zu machen, das die beiden Straßen verbindet (Via Massena und Via Gioberti), wegen der Näherinnen, der Weinstube Mamàn, etc.
    Am Ende wird dir eine ganze Palette zur Verfügung stehen, aus der Du Dir, zur richtigen Zeit, den passenden Beweis heraussuchen kannst, den Du brauchst. Brieflich solltest Du ihr gegenüber jeden fernliegenden Verdacht in der Angelegenheit vermeiden und der Form halber, wie bisher, mit großer Leidenschaft schreiben, solltest, was das alles betrifft, leichtgläubig tun. Ich werde gewissenhaft täglich Protokoll führen, auch wenn es, wie heute, regnet in den unsympathischen Straßen Turins und sie schwerlich das Haus verlassen dürfte.
    Kuriere dich und richte es so ein, daß du dich spontan für einige Tage zu meiner Verfügung stellen kannst. Sei sicher: Alle ausstehenden Details werden gerade ermittelt.
    Der Freund ist gewissenhaft, und ich, während ich mich beeile, dieses Werk wahrer Freundschaft zu beenden, kann nur zu Taktgefühl und Umsicht raten, um nicht fahrlässig die ganze Maschinerie auffliegen zu lassen.
    Was, wenn ihre Fahrt nach Biella stattfindet? Hat sie dir gegenüber davon denn gar nichts erwähnt?
    Halt mich auf dem laufenden, wie stets mit verschlossener Expreßpost. Bis morgen, herzlich, Luigi
    Puccini macht sich auf der Rückseite jenes Briefes Notizen, für aktuelle Ratschläge an Pieri:
    Schon E. hat versucht, eine Person in ihrem Umfeld zu plazieren, unter dem Vorwand, bei ihr Unterricht zu nehmen. Deshalb: Vorsicht!
    Erforderlich wäre, daß die Dame auch tatsächlich Unterricht nimmt .
    Was Giacomo meint: Die Detektivin soll sich in Corinnas Clique einschleichen, dabei jedoch alle Fehler vermeiden, die, in vergleichbarer Mission, Elvira unterlaufen waren.
    Cori genießt ihre Freiheit, läßt sich von einem gutaussehenden Adligen umwerben, dem Conte Ferraris, ein noch junger Mann in der Uniform eines Capitano, der sie zu einem Ausflug in sein Schlößchen bei Biella einlädt. Sie schläft ab und an mit Guido, der sie abgöttisch liebt. Vereinbart ist zwischen den beiden, daß er nur als Platzhalter fungiert und sich zurückziehen muß, sobald der Mann ihres Herzens von seiner ausgedehnten Reise zurückkommt. Guido, ein junger Lithograph, hat keine Ahnung, wessen Stelle er einnimmt. Er fügt sich, wenn auch widerwillig, in die Verabredung. Was bleibt ihm übrig?
    Währenddessen nimmt die Butterfly Gestalt an.
    Puccini komponiert bis zum ersten September weite Teile des zweiten Aktes. Es gefällt ihm im abgeschiedenen Weiler Boscolungo, der zur Gemeinde Abetone gehört, einem beliebten Ferienort und Wintersportziel. Es gefällt ihm so gut, daß er sich gleich ein Haus kauft. Doria reist an, um ihn darin zu bedienen. Der alternde Künstler genießt ihre Fürsorge, ihre diskrete Verehrung, aber intellektuell bietet sie nichts, sexuell wirkt sie auf ihn, der sonst nie arg wählerisch ist, wenig anziehend.
    Sie hätte wahrscheinlich kaum ernsthaften Widerstand geboten, und seinem Wesen gemäß erwägt er selbstverständlich, fast automatisch, wie es wohl wäre, wie Doria sich dabei anstellen würde etc.
    Aber er arbeitet, steht unter Zeitdruck, und die Arbeit füllt ihn aus. Zwischendurch denkt er oft an Cori. Und erhöht ihr Taschengeld, nachdem er sie zwischendurch weiß Gott nicht verwöhnt hatte. Ihre Dankbarkeit rührt ihn. Jeden zweiten Tag trifft ein noch süßerer Brief von ihr ein. Ihm wird klar, daß er der jungen Frau einiges schuldet, auf jeden Fall muß er sie noch einmal sehen. Inzwischen hat sich Puccini gegen alle Widerstände seiner Entourage dazu durchgerungen, notfalls stur zu bleiben und das bisherige Arrangement

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