Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)
erfährt – binnen weniger Tage – von einem Angestellten Bertieris, daß der berühmte Fotograf der Liebhaber der jungen Dame sei. Angeblich. Mehr oder weniger. Sagt man. Puccini weiß bald nicht mehr, was er noch glauben soll. Zudem Corinna einen schweren Fehler begeht. Darauf angesprochen, daß man sie häufig mit einem jungen Mann gesehen habe, von dem sie umarmt worden sei und dem sie Geld zugesteckt habe, behauptet sie, das sei ihr Bruder gewesen, der manchmal aus Andorno zu Besuch komme. Einmal habe er sie dabei überrascht, wie sie an Puccini geschrieben habe, jetzt drohe er die Sache auszuplaudern, wenn sie ihm nicht hin und wieder etwas Geld zuschöbe.
GP zieht Erkundigungen ein, ob Corinna wirklich einen Bruder hat. Nie zuvor hat sie einen erwähnt. Ihr Vater bestätigt es. Wider besseres Wissen. Und auch ihre Schwester Domenica deckt den Schwindel. Nur die Mutter, Margherita, will von einem Sohn nichts wissen. Und was wäre das auch für ein Brüderchen, das die eigene Schwester um Geld erpreßt?
Die Detektive halten Guido Gargagnese nicht nur für Coris festen Freund, sie behaupten sogar, er sei ihr Beschützer bei nächtlichen Geschäften. Zum ersten Mal fällt das Wort Prostitution . Wenngleich Giacomo auf die geballte Wucht all dieser Vorwürfe nach dem ersten Zornesausbruch mit Mißtrauen reagiert und sie einem gewissen Übereifer zuschreibt, sitzt der Stachel tief. Er bricht die Korrespondenz mit Cori ab, ohne ihr einen Grund dafür mitzuteilen.
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18. September 1903 : Giacomo kündigt, in einem Brief an Alfredo Vandini (den Bruder von Guido in Rom) an, er werde heute in Genua Carlo Nasi (»Cencio«) treffen, seinen Turiner Anwalt, die »Affäre« sei noch nicht beendet, aber sie ( Plural: er meint sich und Nasi ) seien kurz davor.
Der 18. September ist Coris Geburtstag, sie wird 21, somit volljährig. Statt aber, wie früher oft, sie in Genua zu treffen, bespricht GP mit seinem juristischen Beistand die Trennung von ihr. Sendet nur ein knappes Glückwunschtelegramm und entschuldigt sich damit, auf Reisen zu sein, was ja sogar stimmt.
Am 19. September fährt Puccini weiter nach Mailand und von dort am nächsten Tag nach Paris. Sein Bein ist immer noch eingegipst, und er verflucht seinen behandelnden Arzt Dr. Guarneri, allerdings zu Unrecht. Der verzögerte Heilungsprozeß hat seinen Grund in Puccinis Diabetes.
Giacomo leidet aber auch, vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben, unter rasender Eifersucht. Dies teilt er sogar Elvira mit, was zu einer Annäherung der beiden führt. Elvira begreift, daß sie dabei ist, die Oberhand zu gewinnen. Giacomo braucht jemanden, bei dem er sich aussprechen kann. Diesmal begeht Elvira nicht den Fehler, ihm Vorhaltungen zu machen, sondern agiert als seine Verbündete.
Immer neue und konkretere Ergebnisse, die die Detektive aus Turin nach Paris ins Hotel D’Orient senden, lassen Giacomo vor Wut schäumen. Es scheint nun, daß der alte Ricordi, und das ist das eigentlich Unverzeihliche, recht gehabt haben könnte mit all seinen scheinbar grundlos geäußerten Beschuldigungen.
Cori wundert sich über Giacomos Schweigen, kann sich aber bald erklären, woran es liegt – anscheinend ist ihr Schwindel mit dem erfundenen Bruder aufgeflogen. Jemand muß ihre Mutter ausgehorcht haben. Cori geht in die Offensive und schreibt einen Entschuldigungsbrief. Sie gesteht die Sünde reumütig, gesteht auch, daß sie zuviel Geld ausgebe und deshalb behauptet habe, der Bruder zwicke sich davon einiges ab. Explizit zuzugeben, daß gar kein Bruder existiert, so weit reicht ihr Geständnis dann doch nicht, das kann sie auf Nachfrage immer noch machen.
Ansonsten ist sie sich keiner Schuld bewußt, die Sache mit Guido ist nichts Ernstes und die mit dem Conte fast schon Geschichte. Noch immer glaubt Cori daran, daß ihr Giacomo, sobald körperlich gesundet, mit wiedererwachtem Trieb zu ihr, seiner wahren Liebe, zurückfinden wird. Sie schreibt ihm einen weiteren sehnsüchtigen Brief, den er wiederum nicht beantwortet.
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Am 24. September 1903, einem sonnigen Donnerstag, läuft die zwölfjährige Maddalena Bocchino über die Piazza d’Armi in Turin, einen (heute nicht mehr existierenden) weitläufigen Exerzierplatz südwestlich des Bahnhofs Porta Nuova . Sie soll ihrem Bruder das Mittagessen bringen und ist in Eile, als sie von einem männlichen Individuum angesprochen wird, das auf einer Bank hockt und ihr ein paar Lire verspricht, wenn sie sich » um ihn kümmern «
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