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Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Titel: Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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Endlich sitzen wir uns gegenüber. Verehrter Maestro! Ich habe mir schon oft Gedanken gemacht über einen Stoff, der Ihrer Musik wirklich würdig wäre.
    Wirklich? Meiner Musik – würdig? Ähmm. Naja. Ich habe gerade La Femme et le Pantin gelesen, von Louys. Gefällt mir.
    Aha. Nein. Nicht doch! Unmöglich, nein. Viel zu pervers.
    Wie bitte? Pervers? Das ist doch nicht die Möglichkeit! Sie kennen La Conchita ? So würde die Oper dann nämlich heißen.
    Halten Sie mich für sonderbar! Halten Sie mich für aus der Art geschlagen! Obwohl es pervers ist, kenne ich das Buch. Da staunen Sie? Kein schlechtes Buch, ganz im Gegenteil, nur eben nicht operngeeignet. Wie eine Oper entwerfen, mit nur zwei Figuren?
    Puccini stülpt die Unter- über die Oberlippe, als fühle er sich über seine Kräfte konfrontiert mit einem so simplen Einwand, der ihm, derart konzis und drastisch ausgedrückt, noch nicht untergekommen ist.
    Ja. Da ist was dran. Sie teilen meine Bedenken. Im Grunde. Es fehlt an einer Bariton-Partie. Erstaunlich! Was halten Sie von Marie Antoinette ? Ein großer, historischer Stoff. Ricordi, mein Verleger, findet die Idee gut. Mehr als gut. Er will sie mir beinahe aufdrängen. Er findet nämlich, ich müsse erwachsen werden. Müsse mich den großen Stoffen stellen …
    Nein. Definitiv. Das ist ebensowenig was für Sie.
    Nein?
    Nein, das wäre mehr was für einen jungen Radikalen.
    Ah. Ja?
    Ganz klar. Die Antoinette müßte mindestens zwei schöne Arien zu singen haben.
    Sicher.
    Na eben. Voilà. Frauen, die zwei schöne Arien singen, kann man nicht mehr unters Fallbeil schicken. Man kann sie sich erdolchen lassen. Sie dürfen auch an Lungenentzündung sterben oder von der Engelsburg springen, aber nicht das Fallbeil, dergleichen deprimiert die Menschen, und keine noch so gute Musik nimmt ihnen den bitteren Nachgeschmack von den Lippen. Ein Kopf, der vom Körper getrennt ist, heißt es bei Wilde, ist ein widerlicher Anblick, ich zitiere nicht ganz wortgetreu. Kennen Sie Oscar Wilde?
    Nein …
    Er war ein guter Freund meiner Schwester Ada. Egal. Sagen Sie, lieber Maestro, darf ich etwas fragen?
    Bitte sehr, Signora … Verzeihung, Ihr Name war, ich habe ihn akustisch nicht verstanden in dem Trubel hier …
    Seligman. Sybil.
    Ah. Sibilla. Sibillina! Ein wunder- und klangvoller Name, er paßt zu Ihnen. Ja. Sie wollten etwas fragen?
    Sybil lächelt und nimmt eins der auf einem Tablett gereichten Sherrygläser.
    Wie war das, auf den 28. Mai hinzuleben? Ich stelle es mir vor, als wartete man auf einen Gerichtstermin, an dem einem vom Freispruch bis zum Todesurteil alles blühen kann. War es so?
    Naja. Sie sagen es. Sie drücken es sogar ganz vorzüglich aus, Lady Seligman.
    Mrs. Seligman , bitte. Ich bin nicht adlig. Lady ist ein Titel.
    Oh, ich spreche fast gar kein Englisch, nur die Zahlen, eins bis zehn, verzeihen Sie mir. Wo haben Sie so gut Italienisch zu sprechen gelernt?
    Aus Romanen. Erzählen Sie mir doch bitte, wie das lief, in Brescia, am 28. Mai. Ab wann waren Sie sicher, daß die Revanche gelingen würde?
    Sobald ich sie beschlossen habe.
    Oh, Sie Aufschneider!
    Puccini muß lachen. So ein Titel wurde ihm kaum jemals verliehen, schon gar nicht aus dem Mund einer anmutigen Dame, die er erst seit fünf Minuten kennt. Und recht hat sie auch noch.
    Seine Schüchternheit im Umgang mit Fremden ist diesmal kaum zu spüren, eigentlich gar nicht. Fast ein wenig weniger als gar nicht.
    Um die Wahrheit zu sagen, sagt er, ich habe den Kopf aufs Schafott gelegt, dann regnete es Blumen darauf.
    Welch hübsche Metapher! So ein Triumph wie in Brescia, wird der nicht noch viel intensiver gelebt als ein Erfolg bei der Uraufführung?
    Ganz genau. Letzteres ist das bloße Leben, da können wir nichts für und probieren es eben einmal aus, das andere ist eine Wiederauferstehung, die Rückkehr in eine geliebte Existenz.
    Unvergleichliches Gefühl. Ich hatte meinen Anzug naßgeschwitzt. Zenatello war groß an diesem Abend. Und erst die Kruscinicki! Das Publikum hat oft mitten in die Musik hineingeklatscht. Auch Maestro Campanini erhielt Ovationen. Meine ganze Familie war da. Allein im zweiten Akt mußten vier Stücke wiederholt werden! Ja, das war erhebend. Aber auch die bemitleidenswerte, große Madame Storchio, der so viel Böses angetan wurde, bekam ihre persönliche Genugtuung, in Buenos Aires, unter Toscanini, auch diese Aufführung war ein Triumph, das hat mich am meisten gefreut … Die Liebe des Publikums, wissen

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