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Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

Titel: Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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Sie, viele Künstler sagen, das bedeute ihnen nichts, aber mir … ich kann mir nichts Größeres denken …
    Die vorgespielte Selbstsicherheit aufgeben zu können findet er erfrischend, es ist etwas Merkwürdiges im Gange mit dieser drahtig-eleganten Bankiersgattin. Giacomo hat von Anfang an das Gefühl, ihr vertrauen zu können, ihr vertraut zu sein wie aus einem früheren Leben. Das irritiert und bezaubert ihn; derlei Offenheit hat es manchmal, in früheren Jahren, mit der Schwester Ramelde, zeitweise auch mit Cori gegeben, aber anders, in beiden Fällen anders …
    Warum, Maestro, fiel Ihre Wahl auf Brescia? Warten Sie, antworten Sie nicht! Es liegt nicht weit von Mailand entfernt, nicht wahr?
    Das stimmt …
    Und das so oft im Schatten stehende Brescia war Ihnen höchst dankbar dafür, die Ehre der Zweitaufführung zu bekommen, das Zünglein an der Waage spielen zu dürfen, richtig?
    Ähmm, ja, richtig, auch das …
    Man würde Ihnen dort Satisfaktion zukommen lassen, schon um sich gegenüber den Mailändern wichtig zu machen, Sie haben das von vornherein gewußt! Stimmts?
    Nun … Wenn man das so sehen will, ja, das liegt nahe. Sie sind sehr scharfsinnig, wirklich …
    Giacomo gibt freimütig zu, er sei ja eher für Turin gewesen, Giulio Ricordi schließlich habe auf Brescia bestanden.
    Meine Mutmaßungen sollen die wunderbaren Qualitäten Ihrer Butterfly nicht schmälern, bin ich zu kess ?
    Zu kess? Iwo. Dank Ihnen wird mir selbst so manches erst bewußt …
    Es liegt in meiner Natur, kess zu sein, Maestro, das müssen Sie schon in Kauf nehmen, so bin ich.
    Ich sehe …
    Sie müssen uns unbedingt einmal besuchen, Maestro. Sie haben also kein neues Libretto?
    Das stimmt. Leider.
    Ich hätte da vielleicht ein paar Vorschläge.
    Sie haben – aha? Gerne. Sehr gerne.
    Er ist sich nicht ganz sicher, wie das gemeint ist. Ernst? Oder als Vorwand für eine intimere Begegnung? Begehrt sie ihn? Sie ist so vorwitzig, so dreist, auf eine bezwingende Art, daß er sich jetzt schon völlig verschossen glaubt.
    Madama Sibilla, ich wohne im Savoy, wenn wir uns einmal ungestört unterhalten wollen. Leider muß ich morgen bereits abreisen … ( Sie könnte heute nacht noch Logis nehmen im Savoy, unter welchem Vorwand nur? Ich könnte, denkt er, mich irgendwann zu ihr schleichen, wenn Elvira schläft  …)
    Jetzt müssen Sie aber noch meinen Mann kennenlernen, er steht da drüben, auch er ist ein großer Freund Ihrer Musik … Sie lacht. Aus irgendeinem Grund lacht sie. Giacomo lacht auch, als müsse er einen Witz verstanden haben. Sybil greift nach seiner Hand.
    Nein, um ehrlich zu sein – wir wollen doch künftig ehrlich sein zueinander, versprochen? Er versteht nicht allzuviel davon. Von Musik. Weder allgemein noch im Detail.
    Oh … äh, ja. Gut. Schade! Elvira, meine Frau, ist hier auch irgendwo. Die beiden könnten ja vielleicht über Hüte reden …
    Sybil lacht laut, entzieht ihm ihre Hand, als wäre ihr eben erst bewußt geworden, welche Intimität damit verbunden ist.

2
    Am nächsten Morgen reisen die Puccinis mit dem Pullman-Zug die sieben Stunden nach Paris weiter, um sich dort noch einmal die Tosca anzusehen. Seinem neuesten Freund, dem Banker David Seligman, schreibt Giacomo anderntags, er und dessen entzückende, seiner Inspiration Flügel verleihende Gattin möchten doch bitte kommen, einen Ausflug nach Frankreich machen, man könne zu viert eine schöne Zeit haben .
    Aber fast genau ein Jahr wird vergehen, bevor Sybil und Giacomo sich wiedersehen, bis dahin korrespondieren sie, zwar nicht fieberhaft, doch regelmäßig. Da Sybil fast alle seine Briefe im Kreis der Familie vorliest (sie hat zwei Söhne, zu diesem Zeitpunkt neun und zwölf Jahre alt), bleiben beide bis zum Ende beim formellen Sie , obgleich er sonst mit dem Du sehr freigiebig ist. Seine stets wachsende Zuneigung drückt Giacomo in versteckten oder doppeldeutigen Wendungen und Koseformeln aus, die sich zur Not als beherzte Galanterien auslegen lassen.
    Elvira hat, in ein einseitig erregtes Gespräch mit der zu radikalen politischen Auffassungen neigenden Violet Beddington verwickelt (einer Demokratin!), von der neuen Bekanntschaft ihres Gatten wenig mitbekommen. Im Unterschied zu früher jedoch verschweigt Giacomo diesmal fast nichts, er schwelgt in Begeisterung für die Londoner Freundin, was Elvira zu Anfang merkwürdig unaufgeregt hinnimmt, beinahe so, als hätte sie bei vergangenen Abenteuern einfach nur einbezogen statt belogen werden

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