Die Klimaprioritaeten
– darunter Italien, Polen, Spanien, Bulgarien und die Tschechische Republik – planen etwa 13 Gigawatt neuer Kraftwerksleistung bis 2012. Nach Angaben des Energieinformationsservice Platts wollen weltweit insgesamt 37 Länder ihre Kohlekapazitäten in den kommenden fünf Jahren ausbauen, in den vergangenen fünf |31| Jahren waren es »lediglich« 26 Staaten. Wesentlicher Motor für diesen Kohlerausch sind die steigenden Ölpreise und der wachsende
Energieverbrauch. Dieser wird laut der Internationalen Energieagentur bis 2025 weltweit um 50 Prozent steigen. Den Löwenanteil davon trägt die Verbrennung von Kohle. Insgesamt dürften dann im Jahre 2012 in 79 Staaten 7 470 Kraftwerke am Netz sein und neun Milliarden Tonnen Kohlendioxid jährlich in die Atmosphäre pumpen – von geschätzten 31 Milliarden Tonnen aus allen Emissionsquellen.
Man mag dies für eine völlig falsche Richtung halten, die uns »an den Rande des Abgrundes bringen könnte«, wie David Hawkins, Klimaexperte von der Umweltorganisation Natural Resources Defense Council in Washington, sagt. Aber es ist die Richtung, die eingeschlagen wurde. Das Rad in kurzer Zeit wieder zurückzudrehen ist unrealistisch.
Kollektiv verhält sich die Welt so, als hätte sie noch nie etwas vom Klimawandel gehört. Und warum sollten wir es China, Indien, Südafrika und Sri Lanka verdenken? Kohle liegt genug unter der Erde, muss nicht importiert werden, die Vorkommen reichen noch für 200 Jahre. Außerdem ist der Rohstoff leichter zu verarbeiten als Erdgas und immer noch vergleichsweise billig, auch wenn die Preise seit Ende 2007 aufgrund von Lieferengpässen und hoher Nachfrage deutlich angezogen haben. Die Moderne der Schwellenländer soll, wie unsere, auch mit Kohle befeuert werden. Mit unserer Industrievergangenheit können wir nur schwer den Umweltengel spielen. Schon gar nicht, weil wir uns selbst so schwer tun, die eigene fossile Abhängigkeit zu verringern.
Wir müssen also noch eine Weile mit der Kohle leben. Und alle Möglichkeiten ausschöpfen, sie klimaschonender zu verbrennen. »Die gute Nachricht ist«, meint David Hawkins, »Unternehmer und Politiker sind aufgewacht. Wenn wir die neuen |32| Technologien nutzen, die Kohlendioxid aus Abgasen herausfiltern und einlagern, müssen wir nicht über den Abgrund jagen.« Amerikaner, auch als Umweltschützer, waren immer schon
zuversichtlicher
, was den Glauben an technische Lösungen anbetrifft.
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Spremberg ist also ein Abfangversuch. Kohlendioxid unschädlich zu machen, könnte die Rettungsleine für die Kohlewirtschaft sein. 80 bis 90 Prozent des Kohlendioxids, verspricht die CCS-Technologie, könnten aus Kraftwerken herausgefiltert werden. 20 Prozent aller Treibhausgase, schätzt die Internationale Energieagentur, wären im Jahre 2050 dadurch weltweit zu verringern.
Prinzipiell kann Kohlendioxid von Kohle, Erdgas, Öl, aber auch Biomasse neutralisiert werden. Die weltweite Forschung konzentriert sich auf Kohle und Erdgas, da beide Ressourcen den meisten Strom produzieren.
Es gibt mittlerweile weltweit 31 Pilotprojekte. Vorwiegend in den großen Kohle- und Erdgasförderländern USA, Kanada, Australien und Norwegen. Dort, wo die geologischen Voraussetzungen für mögliche Lagerstätten gegeben sind. Die Größe der Versuchsanlagen reicht von 30 bis 2 000 Megawatt.
Die Technologie ist noch nirgendwo vollständig in Betrieb unter den Realbedingungen eines großen Kraftwerks. Die technischen Fragen, vor allem was das Filtern von Kohlendioxid betrifft, sind weitgehend gelöst, die Komponenten verfügbar. Das Problem: die Kosten und finanziellen Risiken. Kohlendioxid abscheiden und einlagern erfordert enorme Investitionen. Für ein Gaskraftwerk mit einer Kapazität von 400 Megawatt würden sich die Investitionskosten bei Einsatz eines CCS-Systems |33| verdoppeln. Der zusätzliche Energiebedarf für das Filtern und den Transport erhöht die Kosten für eine Kilowattstunde Strom beträchtlich. Um das abgetrennte Kohlendioxid verfrachten zu können, wird eine Infrastruktur benötigt, die es für die meisten Kraftwerke nicht gibt. Noch fehlen die Ergebnisse eines großen Feldversuchs. Noch gibt es zu viele Unsicherheiten, die Investoren lassen ihr Geld lieber woanders anlegen. So veranschlagt der IPCC eine Spannweite zwischen 20 und 70 US-Dollar pro eingelagerter Tonne Kohlendioxid – indiskutable Unwägbarkeiten für Kapitalgeber. Ein für die britische Regierung verfasster Report der Institution of
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