Die Klimaprioritaeten
Die AKWs Krümmel, Brunsbüttel und Brokdorf sollen zwischen 2009 und 2019 stillgelegt werden. Atomkraftwerke liefern bislang knapp ein Drittel des Stromes in Deutschland. Irgendwann schlägt der fehlende Atomstrom zu Buche. Diese Lücke muss geschlossen werden. Sonst verlassen international operierende Unternehmen den Standort Deutschland nicht nur aus Arbeitskostengründen, sondern auch, weil die Stromversorgung nicht sicher ist und/oder weil der Strom teuer, da knapper, wird.
Die bundeseigene Deutsche Energieagentur (Dena) hatte im März 2008 in einer Analyse vorgerechnet, dass die
Kraftwerkskapazitäten
in Deutschland in naher Zukunft nicht mehr ausreichen werden, um die heimische Stromnachfrage zu decken. »Bereits ab 2012 wird nicht mehr genügend gesicherte
Kraftwerksleistung
zur Verfügung stehen, um die Jahreshöchstlast zu decken.« Bis 2020 könnte die Differenz 11 700 Megawatt betragen, das entspricht einer Kapazität von 15 Großkraftwerken. Die Prognosen basieren sogar auf optimistischen
Regierungsplanungen
. Diese gehen davon aus, dass sich die
Energieeffizienz
in Deutschland bis 2020 verdoppeln werde.
|29| Ab 2012 droht also möglicherweise eine Versorgungslücke. Eine Versorgungslücke beschreibt die ermittelte Differenz zwischen den Energielastspitzen und der gesicherten Leistung. Dieser Abstand darf nicht unter 5 Prozent fallen. Wie dramatisch die Versorgungslücke in Deutschland eingeschätzt wird, hängt vom jeweils politischen Standpunkt und
wirtschaftlichen
Interesse ab. Die Grünen sprechen naturgemäß von einer »Stromlückenlüge«, bezichtigen die Dena, industriehörigen Annahmen zu folgen, die mit falschen Zahlen operieren, und rechnen vor, dass es mit Stromeinsparung, weniger Energieexport, besserem Lastenmanagement und neuen Technologien keinen Stromengpass geben werde.
Industrievertreter malen hingegen ein düsteres Bild, das Wohlergehen der Energieversorger im Blick. »Wir müssen bis 2020 etwa 40 000 bis 50 000 Megawatt Kraftwerksleistung in Deutschland ersetzen, mehr als ein Drittel der bestehenden Leistung«, sagt Michael Feist, Präsident des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft. Das Problem ist, niemand weiß, wie viel Kraftwerke am Ende zwischen Rhein und Oder tatsächlich gebaut werden. Gründe sind nicht nur der anschwellende Protest in der Bevölkerung, sondern auch ungewisse zukünftige Kosten für Technik und Emissionsrechte. Umweltschützer klagen, dass zu viele Kohlekraftwerke hochgezogen werden, die zuständigen Ministerien sorgen sich, dass es zu wenig sind.
Das Umweltministerium in Berlin glaubt, dass Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen bis 2020 noch 70 bis 80 Prozent des Stromes werden liefern müssen. 2005 stammten 73 Prozent des Stromes in Deutschland aus Braun- und Steinkohle sowie Uran, 27 Prozent lieferte allein die Kernenergie. Die Dena schlägt vor, die Atommeiler länger laufen zu lassen, und zwar um bis zu 20 Jahre. Der Kraftwerkspark müsse zudem erneuert werden. |30| Stromimporte aus europäischen Ländern seien keine verlässliche Alternative, da die gesamteuropäische Nachfrage steige und Strom knapp werde. Eine Stromlücke würde erhebliche Preissteigerungen für den Verbraucher bedeuten.
Mittelfristig führt daher, neben dem Ausbau erneuerbarer Energien, kein Weg an der Kohle vorbei. Sie so sauber wie möglich zu verbrennen, muss das Ziel sein.
Und außerhalb Deutschlands? In der ganzen Welt werden munter neue Kohlekraftwerke gebaut. In China geht jede Woche ein neues Kraftwerk ans Netz. Auch die Amerikaner beschleunigen ihren Kohleausbau. In den nächsten fünf Jahren wollen sie 37 Gigawatt neue Kraftwerkskapazität installieren, genug um 250 Millionen Tonnen Kohlendioxid zu produzieren. Jährlich.
Die Gruppe der aufstrebenden Industrieländer China, Indien, Südafrika und Brasilien wird 2020 durch den verstärkten Kohleeinsatz die alten Industrieländer überholt haben und weltweit am meisten Treibhausgase in die Atmosphäre blasen. Diese Länder allein werden verantwortlich sein für 70 Prozent der Zunahme an Kohlendioxidemissionen weltweit zwischen 2002 und 2030. »Emissionseinsparungen, die durch das Kyoto-Protokoll erreicht wurden, erscheinen mickrig verglichen mit dem Anstieg der Emissionen in diesen Ländern«, schreibt die Financial Times .
Aber auch jene Staaten,
die sich unter dem Kyoto-Protokoll verpflichtet
haben, ihre Treibhausgasemissionen zu senken, legen kräftig zu bei der Kohleverstromung. Acht EU-Staaten
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