Die Klimaprioritaeten
Klimapapst. Boer ist ein schelmisch lächelnder Mann mit wippendem Schnurrbart. Er wohnt in Bogor, eine Autostunde südlich von Jakarta, am Fuße der Berge. Ein immergrüner und wolkenverhangener Ort, der auch den Hauptsitz des weltweit tätigen renommierten Wissenschaftsnetzwerks Center for International Forestry Research (CIFOR) beherbergt und wo der urbane Wahnsinn der nahen
15-Millionen-Metropole
surreal erscheint.
»Wir müssen die Art und Weise, wie wir unsere Wälder bewirtschaften, völlig ändern«, erklärt er. »Die Herausforderung ist gigantisch.« Das fängt mit der Haushaltsnot der Regierung an. Insofern, ja, mehr Geld werde helfen. Damit kann man mehr Fachleute vor Ort bezahlen, mehr Inspektoren, Förster, kann das Gehalt der Staatsbeamten und Polizisten aufbessern: Ansonsten ist der Kampf gegen die tief verwurzelte Korruption aussichtslos. Der weltweite Korruptionsindex 2007 von Transparency International listet Indonesien auf einem der hintersten Ränge, auf Platz 147 von 179.
Zwingend notwendig ist der Aufbau einer
funktionsfähigen
Forstverwaltung. Oft fehlt es am Einfachsten. Genaue und |61| aktuelle Karten der Waldgebiete zum Beispiel und
Überwachungsstationen
. Beamte werden schlecht ausgebildet, wissen oft gar nicht, wo sich Naturschutzzonen befinden. Um diese gravierenden Mängel zu beheben, könnte der Emissionshandel als positiver Verstärker wirken.
Demokratisierung und Dezentralisierung nach dem Sturz des Diktators Suharto haben dem Wald nicht geholfen. Im Gegenteil. Die neuen Provinzfürsten wissen ihre neue Autonomiemacht auszuspielen. Sie sehen im Wald vor allem eines: schnelles Geld. Holz ist gefragt. Noch mehr Palmöl. So deklarieren sie Naturwaldgebiete kurzerhand in Palmölplantagen um. Nichts Illegales, formell korrekt, von der Verfassung gedeckt. Man kann nur versuchen, sie von nachhaltigen Alternativen zu überzeugen. Doch kaum ein Agrarprodukt kann derzeit den Preis von Palmöl überbieten.
Auch die Zentralregierung in Jakarta betreibt eine aggressive Politik, die Landnutzung in Waldregionen zu ändern, vor allem um die Flächen für Palmölplantagen auszuweiten. Derzeit sind sechs Millionen Hektar Land mit Ölpalmen bepflanzt, weitere 20 Millionen Hektar sollen in den kommenden Jahren in Plantagen umgewandelt werden. Diese großmaßstäbliche »
Industrialisierung
« des Waldes ist auch deshalb möglich, weil Indonesiens Waldwirtschaft strukturell noch in der Kolonialzeit verankert ist und eher wie ein Feudalsystem funktioniert. Es gibt weder Privatwaldbesitz noch lange Pachtverträge. Der Staat allein vergibt die Nutzungsrechte für maximal 30 Jahre – ein schlechter Witz, wenn es um die langfristig nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder geht. Landrechtsreformen sind daher unabdingbar.
Sicher, es gibt auch Fortschritte. Korrupte Gouverneure landen schon mal hinter Gittern wie 2005 in der Provinz Aceh. Die Presse ist rege und wachsam. Die UN-Klimakonferenz im Dezember 2007 auf Bali transportierte das Thema Waldschutz |62| in bislang nicht bekanntem Ausmaß in die indonesische Öffentlichkeit. Und auf dem Papier verfügt das Land mittlerweile über zum Teil vorbildliche Umweltgesetze. Sie müssten nur auch durchgesetzt werden.
Rizaldi Boer glaubt, dass nur internationaler Druck die Regierung zum Handeln und zu Reformen drängen kann. Stellt sich ein wenig die Frage, was ist Henne und was ist Ei. Fördern die neuen Finanzinstrumente notwendige Reformen oder sind Reformen Vorbedingung, damit das Geld aus dem Emissionshandel fließt? Frances Seymour, CIFOR-Direktor, erklärt: »Damit die riesigen Summen, die für den Waldschutz fließen können, auch effektiv sind, muss es erst erhebliche Reformen in Regierung und Staat geben.«
Staatsversagen ist das eine zentrale Thema in Indonesien. Armut das andere große Problem. »Vielleicht sogar der
schwerwiegendere
Waldvernichter«, meint Boer. 39 Millionen Menschen sind in Indonesien offiziell arm, knapp 18 Prozent. Die relative Zahl ist gering – verglichen mit anderen Ländern. Es ist die absolute Zahl, die Kopfschmerzen bereitet.
Viele Arme wohnen in Waldgebieten. Sie leben von höchstens 2 US-Dollar am Tag. Ein Hektar Wald liefert Holz im Wert von etwa 10 000 US-Dollar. Wer ans Überleben denkt, denkt nicht an Umweltschutz. Boer: »Um dieses Problem anzupacken, benötigen wir Geld von der internationalen
Staatengemeinschaft
. Viel Geld.« Vor der Klimakonferenz in Bali im Dezember 2007 trat Indonesiens Regierung recht
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