Die Klimaprioritaeten
Prozent des Kohlendioxids dieser Torfwälder im Boden gespeichert. Gelangt Sauerstoff in die Böden, wird überdies das weitaus klimaschädlichere Methangas freigesetzt. Daher steht und fällt alles mit einem ausgetüftelten Wassermanagement. 50 Hydrologen und Wasserbauingenieure hat APRIL allein für diesen Job unter Vertrag.
Die Qualitätsstandards werden jedoch nicht nur der Umwelt zuliebe eingehalten. Wer heute Papier und Holz nach Europa liefern will, muss bestimmte Kriterien einhalten und Gütesiegel vorweisen. Besitzt man diese nicht, ist der Markt verschlossen. APRILs größter Markt ist Asien, wichtigster Einzelmarkt China. Dort kümmert sich niemand um Umweltengel auf dem Papierkarton. Dass nur 12 Prozent der Produktion nach Europa gehen, bedauert Lorenzo, sei aber einem nicht vorhandenen |68| Gütesiegel geschuldet. Der Konzern würde gern mehr Papier in den Okzident verschiffen, ist aber nicht vom Forest Stewardship Council (FSC) überprüft und zertifiziert, der ersten Organisation, die länderübergreifende einheitliche Standards und ein weltweit anerkanntes Qualitätssiegel für nachhaltiges Forstmanagement schuf und bislang 30 Millionen Hektar Wald und sieben Millionen Hektar Plantagen zertifiziert hat.
Ein FSC-Kriterium besagt, dass Unternehmen keine Plantagen nach dem Stichjahr 1994 mehr angelegt haben dürfen. Dies trifft für APRIL nicht zu. APRIL hat allerdings vom indonesischen Ökoinstitut LEI in Jakarta, das die heimische Waldwirtschaft überprüft, ein Umweltsiegel erhalten. Dieses wird auch vom WWF anerkannt. Jedoch nicht in Europa. Der WWF als Mitglied beim FSC kann aber LEI nicht formell unterstützen. Lorenzo moniert das für ihn willkürliche FSC-Stichjahr, das lediglich festgelegt wurde, da sich der FSC damals auf seinen Kriterienkatalog
einigen konnte. Es verhindere, dass in Indonesien nachhaltig produziertes Papier exportiert werde. Wer nicht erlaube, dass hier neue, effizient bewirtschaftete Plantagen auf ohnehin degradierten Waldflächen angelegt werden dürfen, sagt er, sei
mitverantwortlich
, dass weiter Naturwälder geplündert werden. Dem FSC ist dieses Problem bewusst. Er überdenkt derzeit seine Standards für Plantagen, ebenso das umstrittene Stichdatum.
Plantagen sind bei Naturschützern unbeliebt. Doch sie schaffen Arbeit und Einkommen. Für 250 000 Menschen in Riau. Dies wird im fernen Europa gern übersehen. Plantagen bilden dadurch eine Pufferzone um den unberührten Wald. Lorenzo glaubt, dass nur so zum Beispiel der restliche Regenwald auf der Kampar-Halbinsel erhalten werden könne. Die bereits weitgehend zerstörten Areale werden mit Akazien aufgeforstet oder in Ackerland umgewandelt. Beides schaffe Einkommen für die ansässigen Bauern und Familien. »Nur wenn sie Alternativen |69| haben, lassen sie die Bäume in den noch intakten Wäldern stehen.« Die Chance hierfür ist dann am größten, erklärt er, wenn die Bauern dadurch mehr verdienen können, als sie aus dem Verkauf von Ölpalm-Früchten erhalten würden. Man muss den Preis für Palmöl überbieten. »Ölpalmen sind hier die Primadonnen für die Bauern. Wenn sie die Wahl haben, wählen sie immer zuerst Ölpalmen und roden den Regenwald.« Genau für solche Kompensationszahlungen, meint er, sollte das Geld aus dem Emissionshandel fließen.
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Die Ölpalme hat unter Umweltschützern derzeit einen miserablen Ruf. Sie verdrängt noch intakte Wälder in Indonesien und Malaysia. Und ist so mitverantwortlich dafür, dass sich die Erde weiter aufheizt. Stimmt. Riesige Waldflächen in beiden Staaten werden gerodet und in Palmölplantagen umgewandelt. Das liegt daran, dass die Nachfrage nach Palmöl dramatisch gestiegen ist. Als Speiseöl, vor allem in Asien. Für die Chemieindustrie weltweit. Und als Kraftstoff für Autos. Vor allem in Europa. Mitverantwortlich dafür ist die Politik. Die Europäische Union hat in ihrer Biokraftstoff-Richtlinie festgelegt, dass 5,75 Prozent des Treibstoffs im Transportbereich bis 2010 aus Biodiesel sein sollen, bis 2020 soll dieser Anteil auf 10 Prozent steigen. Der deutsche Bundestag war noch etwas eifriger und verabschiedete 2006 das Biokraftstoffquotengesetz. Es schreibt vor, den Anteil an Biokraftstoffen bis 2010 auf 6,75 Prozent und bis 2015 auf 8 Prozent zu erhöhen. Kritik von Fachleuten und
Umweltorganisationen
, der ökologische Schaden sei erheblich größer als der Nutzen, wurde damals ignoriert. Mittlerweile finden sie mehr Gehör (siehe das Kapitel
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