Die Klimaprioritaeten
forsch auf. Forderte 5 bis 20 US-Dollar pro Hektar Kompensation, um den Wald nicht weiter zu zerstören. Das neue Selbstbewusstsein nach dem Motto »Ihr zahlt. Wir schützen.« zielt auf die berechtigte historische Verantwortung des Nordens, wirft aber zugleich die Frage auf, ob Länder wie Indonesien kein ökonomisches und ökologisches Eigeninteresse am Walderhalt |63| haben und Klimaschutz als pure Luxusangelegenheit der reichen Länder betrachten.
Ein sensibles Thema. Es berührt das Spannungsfeld Entwicklung und Umweltschutz. Die meisten europäischen Staaten sind über Jahrhunderte nicht besonders pfleglich mit ihren Waldbeständen umgegangen. Haben sie gerodet für Bergbau, Salzgewinnung, Eisenproduktion und Landwirtschaft. Erst als Holz im 18. Jahrhundert zu einem knappen Gut wurde, besann man sich aus Not eines Besseren und führte Nachhaltigkeit als wirtschaftliches Prinzip ein, um Holzlieferungen für die Montanindustrie dauerhaft zu garantieren. Der romantische und ästhetische Wert des Waldes wurde erst im 19. Jahrhundert entdeckt. Was heute in Deutschland als Wald bezeichnet wird, sind straff organisierte Forstbetriebe, im besten Fall robuste Mischwälder, oft jedoch monotone Nadelbaumreihen.
Kahlschlag bis zum letzten Baum und danach wieder bepflanzen, ist im feuchttropischen Indonesien jedoch nicht ratsam. Das Ökosystem ist fragiler, das Mikroklima auf den Wald angewiesen, Aufforsten ungleich schwieriger und teurer, die Böden laugen schneller aus. Zudem macht der Klimawandel dem Land mehr zu schaffen als den mittleren Breiten.
Der erste Schritt wäre eine strikte Landnutzungsplanung, die kontrolliert und umgesetzt wird. Dabei muss langfristig festgelegt werden, wie viel Waldland geschützt wird in Form von Naturparks, wie viel noch bestehende oder bereits degradierte Wälder in Forste oder Plantagen umgewandelt werden können und wie viel schließlich für Siedlungen, Straßen und andere Infrastruktur abgeholzt werden. Denn Verstädterung und
Industrialisierung
fordern ihren Tribut, erhöhen den Druck auf das Waldland. »Je wohlhabender wir sind, desto mehr Wald roden wir und mehr Treibhausgase blasen wir in die Luft. Aber wachsender Wohlstand erlaubt uns auch, Umweltschutz voranzutreiben |64| und dann wieder Emissionen zu senken«, sagt Rizaldi Boer. Dialektik des Klimaschutzes.
Ein anderer Schritt: Unternehmen wie APRIL erlauben, mehr bereits kahlgeschlagenes Land in Nutzwälder und Plantagen umzuwandeln. Diese sind, sofern richtig bewirtschaftet, in einem Land wie Indonesien der beste Garant, dass neuer Wald entsteht und immer weniger Regenwälder gerodet werden. Der weltweite Papierhunger nimmt zu. Vor allem in Asien. 40 Prozent der weltweiten industriellen Holzernte landet in Papierfabriken. Es wird geschätzt, dass der Papierverbrauch bis 2020 um 60 Prozent steigen wird von derzeit 358 Millionen Tonnen jährlich auf 579 Millionen Tonnen pro Jahr. Wie soll der zunehmende Bedarf gedeckt werden, wenn nicht aus Nutzwäldern und Plantagen? Wie soll der soziale und ökonomische Druck von den Regenwäldern genommen werden, wenn nicht durch nachhaltig bewirtschaftete Plantagen, die dadurch einen Schutzring um Naturreservate legen?
Die Mehrheit der Umweltverbände geht gegen die Expansion der Plantagenwirtschaft auf die Barrikaden. Sie fordert ein Moratorium. Keine neuen Konzessionen. Die Position der Waldexperten von CIFOR: »Genug ist genug.« Doch die Realitäten in Indonesien zwingen, pragmatisch zu sein, räumt selbst der Chef der Naturschutzorganisation Nature Conservancy in Jakarta, Rili Djohani, ein. Die Regierung sei unfähig oder unwillens, Wälder nachhaltig zu nutzen. Je mehr Land APRIL erhalte, desto mehr Wald bleibe erhalten. Eine abstruse Logik für Umweltschützer, doch bei genauerem Hinblicken eine Chance. »Wir haben wirklich null Interesse, unberührte Wälder in Plantagen umzuwandeln«, beteuert Neil Franklin. Das wollte er einmal klargestellt haben. Seine Hoffnung: Betreibt ein Riese wie APRIL nachhaltige
Unternehmenspolitik, kann dies langfristig nicht spurlos an der indonesischen Forstwirtschaft vorbeigehen.
|65| Natürlich hat APRIL Interesse, seine Plantagen auszuweiten. Das Geschäft mit Papier und Zellstoff brummt. Mehr Holz, mehr Papier. Doch größere Plantagen bedeuten nicht, noch bestehende Regenwälder anzutasten. Es gibt genug Brachen und geplünderte Waldgebiete. Sich selbst überlassen, degradieren sie weiter. Mit zunehmender Zeit steigt der Aufwand, das Land
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