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Die Klimaprioritaeten

Titel: Die Klimaprioritaeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Streck
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wieder zu rekultivieren, wenn es denn überhaupt noch gelingt. Doch das schlagkräftigste Argument von Franklin: »Außer uns tut es hier niemand.« Kahlschlagen, weiterziehen – so lautet die Devise in Indonesien seit Jahrzehnten. Nachhaltiges Waldmanagement, Wiederaufforsten – meistens Fremdwörter.
    Orang-Hutan heißt Mensch des Waldes auf indonesisch. Als solchen sieht sich Eliezer Lorenzo, Umweltmanager bei APRIL. Ein Philippino mit Humor, Weltkenntnis und Liebe zum Wald. Seine Mission: Plantagenwirtschaft und Umweltschutz versöhnen. »Eine aufwändige und kostspielige Sache«, sagt er. Kein Wunder, dass viele Betriebe hier einfach »cut, clear and go« betreiben würden.
    »Wenn wir eine neue Konzession beantragen, stehen auf dem Land ohnehin nur noch Waldfetzen. Wir forsten dann wieder auf und schützen den Rest«, erklärt Lorenzo. Waldland, das von der Regierung als »conversion forests« deklariert wurde, sei längst umgewandelt. Und zwar gründlich. Entweder haben illegale Holzfäller ihr Werk getan. Oder legale Holzfirmen haben auf Gebieten, die zuvor als sogenannte Produktionswälder
ausgewiesen waren, Kahlschlag statt nachhaltiger Waldwirtschaft betrieben, da kein Förster sie überwacht und kein Gericht sie bestraft. Wenn APRIL schließlich für ein Gebiet eine Nutzungslizenz erworben hat, untersuchen unabhängige Gutachter, welche Areale aus ökologischen Gründen – Wasserscheiden, Flussläufe, Hanglagen zum Beispiel – unbedingt naturnah belassen oder wieder rehabilitiert werden sollten. Abhängig von |66| der konkreten Landschafts-, Wasser- und Bodensituation werden dann zwischen 25 und 70 Prozent der gesamten
Konzessionsfläche
nicht für die Plantagenwirtschaft genutzt, sondern unter Schutz gestellt.
    An dieser Stelle einige Anmerkungen zum besseren Verständnis von Plantagen und den Problemen, die mit diesem Großgrundbesitz einhergehen. Wenn APRIL ein
Bewirtschaftungsrecht
für ein so riesiges Gebiet erhält, in Sumatra fast 800 000 Hektar, wird davon etwa die Hälfte mit Bäumen bepflanzt, die für die Papierherstellung benötigt werden. Auf der anderen Hälfte wird die notwendige industrielle Infrastruktur errichtet, werden Naturparks erhalten, Siedlungen und Schulen für die Arbeiter gebaut. Eine paternalistische Struktur, in der APRIL für das wirtschaftliche, ökologische und soziale Wohlergehen seines, wenn auch nur temporären, Besitzes und seiner Bewohner verantwortlich ist. Konzessionen dienen in Indonesien seit Jahrzehnten dazu, abgelegene, dünn besiedelte Waldgebiete auf den Inseln Borneo und Sumatra zu erschließen und auszubeuten. Je rasanter diese Regionen sich entwickelten, desto größer wurden die Interessenkonflikte um Landnutzung, forciert durch eine nebulöse Rechtslage, zunehmende Migration und abwesende staatliche Autorität. So ist es fast unmöglich zu verhindern, dass auf dem weiten, oft nicht zusammenhängenden Land Holz gestohlen wird oder landlose Bauern Parzellen roden. Dagegen ist auch APRILs eigene Firmenpolizei machtlos.
    Um APRILs Plantagen zu durchqueren, braucht es einen Tag oder zwei. Auf den Sandpisten donnern schwere Sattelschlepper mit Akazienstämmen Richtung Papierfabrik. Tausend Trucks werden dort täglich entladen. Wachposten sorgen dafür, dass illegales Holz nicht hineingeschmuggelt wird. Die Konzessionen sind wie ein Mosaik, zusammengesetzt aus riesigen Rechtecken |67| ausgewachsener oder junger Akazienbäume, naturbelassener Wälder und frisch gerodeter Gebiete mit Holzresten auf tief rotbrauner Erde. »Diese kahlen Flächen sehen natürlich für einen Besucher schrecklich aus«, meint Lorenzo. Bilder, unzählige Male gesehen und verdammt in Umweltmagazinen.
    Doch die Flächen bleiben nie länger als drei Monate kahl. In der Regel werden die neuen Setzlinge innerhalb von drei Wochen gepflanzt, spätestens nach acht Wochen. Wenige Wochen danach bedeckt ein zarter grüner Teppich den Boden. Acht bis zwölf Monate braucht es dann, bis eine geschlossene Baumkrone herangewachsen ist. Abtransportiert werden nach dem Einschlag nur die Stämme. Das restliche Pflanzenmaterial wird zerschreddert auf dem Boden verstreut: Als Erosionsschutz und natürlicher Dünger. Brandrodung ist verboten. Der gesamte Kreislauf wird von Inspektoren streng überwacht.
    Dass er lückenlos eingehalten wird, ist entscheidend auf den feuchten Torfmoorböden. Diese dürfen nicht entwässern. Denn erstens hemmen die trockenen Böden das Baumwachstum, und zweitens sind 98

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