Die Klimaprioritaeten
»Biosprit: Gut gemeint ist noch nicht gut gemacht«).
|70| Carl Bek-Nielsen produziert Palmöl. In Malaysia. An der Westküste, im Palmölgürtel, etwa eine Autostunde nördlich der Hauptstadt Kuala Lumpur. Es ist ein langgestrecktes
üppig-tropisches
Küstentiefland, begrenzt von zwei mächtigen Flüssen und Bergketten. Wo heute Trocken- und Regenzeit immer mehr verschwimmen, weniger vorhersehbar sind als früher, als man noch Uhren und Kalender danach stellen konnte. Das Unternehmen heißt United Plantations. Es wurde vor 100 Jahren von einem dänischen Unternehmer gegründet, der ein Vermögen beim Bau der Straßenbahn in Bangkok gemacht hatte und dann ins Kautschukgeschäft einstieg. Später wurden Kokospalmen gepflanzt, irgendwann in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts auf Ölpalmen umgesattelt.
Nielsen ist ein angriffslustiger junger Mann mit streng gescheiteltem Haar und herausforderndem Blick. Geboren und aufgewachsen in Malaysia, ging er zum Studieren nach Kopenhagen. Nun leitet der Agrarökonom gemeinsam mit seinem Bruder die börsennotierte Firma – die erste in Malaysia, die ein Umweltgütesiegel für eine nachhaltige Palmölherstellung
anstrebt.
Viele Europäer, sagt Nielsen, der sich selbst als »kritischen Umweltschützer« bezeichnet, säßen in der Palmöl-Debatte auf einem hohen Ross. Das trifft sowohl auf die Befürworter wie die Gegner zu. Die ersteren haben oft keine Ahnung, was europäische Gesetze hier in Asien anrichten, welche zerstörerische Dynamik eine vorgeschriebene Nachfrage erzeugt. Die anderen verurteilen pauschal gleich die gesamte Palmölherstellung, ohne sich je ein Bild vor Ort gemacht zu haben. Etwas amüsiert berichtet Nielsen von einer Delegation aus dem Europäischen Parlament, die vor kurzem erstmals in Malaysia Palmölplantagen besichtigte. »Ganz erstaunt haben die festgestellt, dass wir recht anständig ökologisch wirtschaften, es in Plantagen nicht |71| nur um Bäume geht, sondern wir 6 500 Menschen direkt und 16 000 Menschen indirekt beschäftigen.«
Die insgesamt zwölf Plantagen mit 40 000 Hektar sind in ein symmetrisches Schachbrettmuster aufgeteilt, rechteckige Parzellen mit geraden Palmreihen, durchzogen von
Entwässerungskanälen
und 500 Kilometern Schienen, denn die Ernte wird in Eisenbahnwaggons eingefahren. Der Lebenszyklus einer Palme beträgt 20 bis 25 Jahre. Jedes Jahr werden 4 bis 5 Prozent der Plantagenfläche neu bepflanzt. Ein Baum ist nach drei Jahren erntereif. Die Ausbeute beträgt 20 Tonnen pro Hektar. Das produzierte Palmöl wird ausschließlich an lokale Händler verkauft.
Der Preis des Palmölbooms: Waldflächen in Malaysia werden in Plantagen umgewandelt. Ölpalmen dominieren die Landschaft in vielen Teilen des Landes. Auf 67 Prozent der genutzten Agrarfläche stehen Ölpalmen. Dennoch sind 60 Prozent des Landes nach wie vor mit Wald bedeckt – zum Vergleich: in Deutschland sind es knapp 30 Prozent. Ein Großteil der Ölgewinnung, 30–40 Prozent, stammt von kleinen und mittleren Betrieben. Die Nahrungsmittel- und Kosmetikgiganten
dieser Welt wie Unilever sind natürlich auch vertreten, dennoch schafft Palmöl Einkommen für viele kleine Bauern und Dörfer. »Jedes Land hat das Recht sich zu entwickeln«, konstatiert Nielsen.
Eines seiner Lieblingsthemen ist die scheinheilige Haltung der Europäer zum Klimaschutz. »Meine lieben dänischen Mitbürger zum Beispiel«, sagt er spitz, »essen gern viel Fleisch. Das Futter für die Rindviecher wird aus Soja gemacht, dafür wird in Brasilien der Regenwald gerodet. Wir können uns nicht hinstellen und andere belehren. Es ist unser Lebensstil, der dem Regenwald zum großen Teil den Garaus macht.«
Und dieser Lebensstil kann nicht ohne Plantagenwirtschaft |72| aufrechterhalten werden. Ja, Plantagen sind in ihrer Monotonie keine Augenweide für die Sinne (wobei Ölpalmen sehr prachtvolle Gewächse sind), und in Indonesien habe er »eine Menge Dinge gesehen, die man besser nicht machen sollte«, dennoch können sie nachhaltig betrieben werden. Nielsen hat ein sehr ganzheitliches Nachhaltigkeitsverständnis. Ökonomisch, ökologisch und sozial. Wenn er den Ertrag erhöhen kann, durch das Forschen an neuen Sorten zum Beispiel, um mit weniger Düngemittel auszukommen und weniger Land zu verbrauchen, dann ist das für ihn nachhaltig. Während in Malaysia der Ertrag durchschnittlich bei 3,9 Tonnen Öl pro Hektar stagniert, produziert United Plantations 5,9 Tonnen je Hektar. Ökologisch
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