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Die Klimaprioritaeten

Titel: Die Klimaprioritaeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Streck
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internationaler Organisationen. Die Projekte in Entwicklungsländern werden von der Weltbank, anderen Entwicklungsbanken oder der holländischen Regierung finanziert. Im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh wird so ein Frühwarnsystem für Überschwemmungen aufgebaut, werden zuständige Behörden trainiert und ausgebildet.
    Für Hochwasser sei in vielen armen Ländern oft jedoch nicht vordergründig der Klimawandel verantwortlich, sondern schlichtweg eine marode Infrastruktur, die mit dem rasanten Städtewachstum nicht Schritt halten kann, berichtet Marchand. In der Millionenstadt Medan auf der indonesischen Insel Sumatra zum Beispiel wollte die dortige Stadtverwaltung |122| wissen, was am sinnvollsten gegen die häufig wiederkehrenden
Überschwemmungen getan werden könnte. Fazit: die Abwasserkanäle erneuern. Denn die Hauptursache sind nicht heftigere Regenfälle, sondern die verschlissenen, überforderten und von Müll verstopften Kanalsysteme.
    Dies ist auch die Erfahrung von Chris Zevenbergen von Dura Vermeer, dessen Firma nicht nur Amphibienhäuser in Holland baut, sondern auch Bangladesch vor den Fluten retten will. Das Land ist eine Art Niederlande Südasiens. Das riesige Delta der Flüsse Ganges und Bramaputra zerschneidet die Küstenebene, der größte Teil des bevölkerungsreichen Landes liegt kaum 12 Meter über dem Meeresspiegel und Klimaforscher warnen, sollte der Ozean um einen Meter steigen, würden 50 Prozent des Landes überflutet. »Klimawandel oder nicht«, sagt Zevenbergen, »in ganz Südostasien nimmt das Risiko von
Überschwemmungen
ohnehin zu.« Die Flutkatastrophe im benachbarten Birma im Frühjahr 2008 ist dafür ein Lehrbeispiel. Der Grund: Die natürliche Absorptionskraft des Ökosystems geht immer mehr verloren. Flächen werden bebaut und versiegelt, Flussläufe zugeschüttet, schützende Mangroven zerstört, Wälder, die als gigantische Wasserspeicher dienen, gerodet. In Bangladeschs Hauptstadt Dhaka schreite die Verstädterung so schnell voran, dass die Infrastruktur einfach nicht Schritt halten könne. »Wir versuchen, der Verwaltung dabei zu helfen, Wassermanagement als absolut notwendigen Bestandteil in ihre Stadtplanung zu integrieren. Stadtplanung ist das A und O.«
    Leichter gesagt als getan in entwicklungsgehemmten
Ländern, wo nach Ansicht von Wasserexperten Marcel Marchand korrupte Staatsdiener und Ordnungshüter, leere Kassen, Armut und mangelnde soziale Teilhabe die dicksten Bremsklötze für einen verbesserten Wasserbau sind. Deiche zu errichten ist bereits |123| in entwickelten und reichen Industriestaaten ein Kraftakt. Ihr Bau und Unterhalt ist aufwändig, kostspielig, langwierig, konfliktträchtig und ökologisch strittig.
    Deichbau erfordert ein starkes, funktionierendes, aufgeklärtes und kooperatives Gemeinwesen, anschaulich dargestellt in Theodor Storms Schimmelreiter , der tragischen Geschichte des Deichgrafen Hauke Hein, der skeptische und argwöhnische Nordfriesen von modernen Deichbautechniken zu überzeugen sucht. Die Geschichte spielt zwar im 19. Jahrhundert, hat aber nichts an ihrer Grundaussage eingebüßt.
    Doch selbst im Musterland Holland scheint der
gesellschaftliche
Konsens beim Deichbau zu erodieren. Sind Reparatur und Ausbau nicht viel zu teuer, soll man die Bewohner nicht lieber umsiedeln und ursprüngliche Überflutungsgebiete wieder rekonstruieren, fragen Kritiker.
    Bei solchen Bedenken schüttelt Chris Zevenbergen nur mit dem Kopf. Deiche seien lebensnotwendig für Holland. »Einen weiteren Deichbau abzulehnen, zu fordern, Wasser sollte man seinen Lauf lassen, ist umweltromantischer Unfug.« Diese Haltung habe dazu geführt, dass die Deiche in Holland in den letzten Jahren vernachlässigt wurden. In den Deichbau müsse wieder mehr investiert werden. Ein gewichtiger Grund: Der Klimawandel müsse mit einkalkuliert werden. Bislang konnte man sich an historischen Wetterdaten orientieren, was Konstruktion und Design anbetrifft. Die Meteorologie lässt sich allerdings nicht mehr ohne weiteres in die Zukunft projizieren. »Wir müssen einen größeren Unsicherheitsfaktor, größere Schwankungsbreiten in unsere Planungen integrieren.«
    Gleiches gilt für die Häuser von morgen. Dass sie nunmehr schwimmen können, ist ein enormer Vorteil. Doch was geschieht mit ihnen, wenn sich Hochwasser und orkanartige Winde treffen? Bei Windgeschwindigkeiten von über 100 Kilometern |124| pro Stunde könnten seekranke Menschen ein Problem haben. Amphibienhäuser

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