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Die Klimaprioritaeten

Titel: Die Klimaprioritaeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Streck
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würden ohnehin ein Nischenmarkt bleiben, auch wenn die Nachfrage im Augenblick groß sei, meint Chris Zevenbergen. Die meisten Menschen bevorzugten feste Gemäuer. Deswegen würden derzeit Gebäude entwickelt, die wasserdicht sind, die dem Wasser bis zu einer gewissen Grenze widerstehen könnten. Dura Vermeer konstruiert bereits Häuser, die einen Wasseranstieg bis zu anderthalb Metern überstehen und dabei trocken bleiben sollen. »Dry proof. Das ist die Zukunft. Ich bin absolut sicher, dass sich ein globaler Flutmarkt entwickeln wird.«
     
    *
     
    Bei einem Vortrag von Sir Nicholas Stern im Oktober 2007 in Neu Delhi warf der Projektor eine große Weltkarte an die Wand, überschrieben mit dem Titel »Brennpunkte des Klimawandels – die asiatische Herausforderung«. Diese »Hot Spots« waren mit einer leuchtend roten Farbe markiert, unterschiedliche Symbole wie Getreidehalme deuteten jeweils auf ein drängendes Problem wie zum Beispiel Nahrungsmittelknappheit. Indien war mit allen möglichen Zeichen bedruckt, unterlegt von einem feurigen Kreis. Der Subkontinent wird unter den Folgen des Klimawandels weltweit mit am stärksten leiden. Hier fließen alle bedrohlichen Faktoren zusammen: mehr Stürme, Fluten, Dürren,
Umweltflüchtlinge
, weniger Trinkwasser und Lebensmittel.
    Indien ist nicht zu beneiden. Die Sommerregen verstärken sich zur Monsunzeit um 10 Prozent bis zum Ende des Jahrhunderts. Starkregen wird zunehmen, ebenso die Temperaturen. Dennoch wird es trockener: Flüsse, vor allem im Norden, werden weniger Wasser führen. Schuld ist fehlendes Schmelzwasser der verschwindenden Himalajagletscher, die verantwortlich |125| sind für 85 Prozent der Wassermenge in den Flüssen zur Trockenzeit. Zwei Drittel Indiens ist bereits heute dürregefährdet. Der Zugang zu Trinkwasser ist eines der dringendsten Probleme in ländlichen Gebieten.
    Die Nahrungsmittelproduktion in Indien muss eigentlich um 5 Prozent pro Jahr zunehmen, um die wachsende Bevölkerung zu versorgen. Die Weltbank schätzt jedoch, dass der Getreideertrag bis Mitte des Jahrhunderts um 30 Prozent zurückgehen könnte. Im Südwesten des Landes, in der bergigen Region Coorg, wo Indiens Kaffee besonders gut gedeiht, berichten die Farmer, dass die Sommer wärmer werden und der Regen intensiver. Bislang haben sie die gefragte Arabica-Sorte angebaut, ihre bessere Qualität bringt höhere Preise. Doch Baum und Kirschen vertragen die steigenden Temperaturen nicht. So satteln die Farmer auf die hitzebeständigere Kaffeepflanze Robusta um, für die allerdings deutlich weniger auf dem Weltmarkt bezahlt wird – ein notwendiger Anpassungsschritt, der schlecht für Geschäft und Einkommen der Bauern ist.
    Sich auf veränderte Klimabedingungen einzustellen ist eine enorm komplexe Aufgabe. Es geht um Vorsorge, Nachsorge, Katastrophenschutz und viel Geld. »Dieses ganze Thema ist in Indien noch sehr jung und kaum in den Regierungsetagen angekommen«, sagt Shashikant Chopde, Wasserspezialist von Winrock India, dem Institut in Neu Delhi, das auch die
Biodieselprojekte
mit Jatropha initiiert hat. Was vor allem auf den Norden des Landes zukomme, wenn die Gletscher im Himalaja weiter so dramatisch verschwänden, sei noch überhaupt nicht verstanden, befürchtet er und wedelt mit einer beängstigenden WWF-Studie, die vorrechnet, dass der Verlust von
Gletscherschmelzwasser
den Abfluss im Ganges zwischen Juli und September um zwei Drittel verringern und Wassermangel für 500 Millionen Menschen bedeuten würde.
    |126| Shashikant Chopde sitzt in zwei dicke Pullover gehüllt und mit einer Thermoskanne Tee in seinem Büro an der Schnellstraße zum Flughafen, die den überschäumenden Verkehr entlasten sollte, doch Anfang 2008, kaum eröffnet, auch schon verstopft war. Es gibt keine Heizung, auch wenn im Januar die Temperaturen in Nordindien unter 0 Grad Celsius sinken. Von draußen dringt der beißende Geruch einer Gerberei durch die Fenster. Shashikant Chopde erinnert daran, dass
Wassermanagement
kein neues Thema für Indien sei. Man habe immer Reisfelder bewässern müssen, die Überflutungszyklen der Flüsse einberechnet, da sie das Schwemmland so fruchtbar machten. »Nur konnte man früher nach dem Monsun die Uhr stellen. Heute ist das Wetter unberechenbarer. Das ist das Problem.«
    Ein anderes Problem: Die Regierung konzentriere sich viel zu sehr auf Katastrophenhilfe. Es gebe jedoch kaum
vorrausschauende
und langfristige Planungen, mit
Überschwemmungen
umzugehen.

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