Die Klimaprioritaeten
nicht alle nach Spanien auswandern und auf Tomatenfeldern arbeiten, für die das Wasser auch immer knapper wird. Gewiss ist auch, sagt Wasserexpertin Julia Bucknall, dass sich mit dem veränderten Wasserhaushalt die Agrargeografie auf der Erde wandeln wird.
Immer häufiger wird in jüngster Vergangenheit in der Öffentlichkeit ein Szenario beschworen, in dem Wassermangel der Stoff für neue Kriege ist. Ob Klaus Töpfer, ehemaliger Direktor des UN-Umweltprogrammes, oder der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung für globale
Umweltveränderungen
(WBGU) oder die Presse, sie alle warnen vor kommenden Kriegen ums Wasser. Die Süddeutsche Zeitung titelte »Kriegsgrund Wasser«, das Wissenschaftsmagazin Scinexx »Krieg um Wasser«. Zwei Beispiele stellvertretend für viele. Ihr Credo: Der Kampf um Öl war gestern, der um Wasser wird morgen sein. Das eignet sich gut für Schlagzeilen und das Schärfen von
Problembewusstsein
, doch wenn in der Geschichte einige Hinweise für die Zukunft zu finden sind, dann droht keine
Wasserapokalypse
. Im Gegenteil: Wasserknappheit war und ist auch heute weltweit ein Paradebeispiel für Kooperation. Natürlich wird um Wasser gestritten und gedroht, vor allem in Nahost und Afrika, und es wird auch mal der Hahn zugedreht. Aber am Ende werden Abkommen geschlossen und Institutionen geschaffen, die die Streitfragen regeln.
Am Ende obsiegt bislang die Zusammenarbeit.
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Kapitel 5 Wandel durch Handel
»Um drastische Emissionseinsparungen zu erreichen muss die Investitionssumme in Klimaschutz jedes Jahr ansteigen bis 2030 auf rund 140 Milliarden Euro jährlich, das sind rund 0,3 bis 0,5 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts.«
Ivo de Boer, Direktor UNFCCC
»Emissionsrechte werden sich zur weltweit wichtigsten Handelsware entwickeln.«
Louis Redshaw, Barclays Capital Bank
Es ist das ungewöhnlichste Produkt auf dem internationalen Finanzparkett. Es wird gehandelt wie Öl, Gas, Weizen und Kupfer. Als »Option« oder »Future«. Doch am Ende setzt sich kein Schiff oder Eisenbahnwaggon in Bewegung, keine Zollbestimmung muss beachtet werden. Am Ende darf jemand in Europa irgendwo mehr Kohlendioxid in die Luft blasen, weil irgendwo jemand weniger hinauspustet und seine eingesparten Abgase verkauft. Die getauschte Ware ist ein Emissionsrecht. Es ermöglicht, das Klima dort zu schonen, wo es am preiswertesten ist.
Die Emissionshändler sitzen in Großraumetagen mit unzähligen Monitoren, über die Zahlenreihen und Diagramme flackern. Sie sitzen in Banken, Maklerfirmen und
Energiekonzernen
. Sie bauen aber auch Windräder in Marokko, fangen Grubengas in chinesischen Bergwerken ab, forsten Wälder auf und erhalten dafür Emissionsgutschriften. Sie tragen weiße Hemden, Krawatte, Anzug und Blackberry. Sie fliegen viel. Sie reden alle nur noch von »carbon market«, »carbon finance« |138| und »low carbon«, Hauptsache »carbon«, der englische Begriff für Kohlenstoff, der zum Synonym für einen Markt geworden ist, der das Klima retten will. Und sie sind am dichtesten gedrängt in der City of London, 51°30′ nördliche Breite und 0°7′ westliche Länge.
London ist die Drehscheibe des internationalen
Emissionshandels
. Jedes Unternehmen, das beim derzeit wohl weltweit größten
umweltpolitischen Experiment mitmischen will, hat Klimaschutz- und Finanzexperten vor Ort. In keiner anderen Stadt werden so viele Emissionsrechte gehandelt wie hier. London kontrolliert rund 90 Prozent des über Börsen gehandelten
Emissionsrechtemarkts
, fand eine Studie der International Financial Service London heraus. Nirgendwo wird so viel Geld locker gemacht für Klimaschutzprojekte, die handelbare Emissionsrechte hervorbringen. Der Alternative Investment Market (AIM) an der Londoner Börse ist weltweit der bevorzugte Börseneinstieg für Umwelttechnologie-Firmen, die hier an der Themse nur noch als »Cleantech« bezeichnet werden, aber auch für nachhaltige Investmentfonds, und hat die NASDAQ in New York längst abgehängt.
Eva Karra handelt Emissionsrechte für die holländische Bank ABN-Amro. Die junge und energische Griechin sitzt vor vielen Knöpfen und Bildschirmen in einem Glashochhaus im Londoner Bankenviertel. Das Geschäft ist überwiegend elektronisch. Auf dem Bildschirm blinkt es, jemand will Emissionsrechte für 30 000 Tonnen Kohlendioxid kaufen. Ein anonymer Verkäufer macht ein Angebot. Dann wird ein wenig gefeilscht. Wenig später einigen sich Anbieter und Nachfrager
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