Die Klimaprioritaeten
auf einen Preis. Und die 30 000 Emissionsrechte wechseln den Besitzer. Ein solcher Handel dauert kaum 10 Minuten. War es ein sogenannter »Spot«, erhält der Käufer innerhalb von zwei Tagen seine Emissionsrechte. Jedes einzelne erlaubt, eine Tonne Kohlendioxid in die Atmosphäre zu blasen.
|139| Der Tagespreis eines Emissionsrechtes hängt ab von der Politik, dem Wetter und den fossilen Rohstoffpreisen. Kündigen zum Beispiel EU-Mitgliedsländer Initiativen oder Gesetze an, ob und wie sie die Ziele des Kyoto-Protokolls erreichen wollen, schwankt der Preis. Regnet es in Spanien, wo viel Wasserkraft genutzt wird, lange nicht, wird dort auf Kohle zurückgegriffen. Dann klettert der Emissionspreis. Steigt der Gaspreis, verfeuern Stromerzeuger mehr Kohle, dann werden Emissionsrechte teurer.
Karra geht an Klimaschutz sehr rational heran. Die ausgebildete Mathematikerin arbeitete lange in der Finanzabteilung eines europäischen Stromversorgers. Klimawandel sei ein drängendes Problem, sagt sie, und der Mensch maßgeblich dafür verantwortlich. »Also müssen wir Lösungen finden. Und mithilfe des Marktes geht dies am effektivsten.« Kapitalismus und Umweltschutz sind vereinbar, davon ist sie überzeugt.
Das Kapital arbeitet nicht nur im Emissionshandel. Es fließt in grüne Investmentfonds, die aus dem Boden schießen. Es wird in Umwelttechnologiefirmen gepumpt, die immer zahlreicher an die Börse gehen. Und es wird von Bankkunden immer öfter in Geldanlagen gesteckt, die nicht mehr nur herkömmliche Kriterien wie Rentabilität und Sicherheit erfüllen, sondern gleichermaßen ökologische und soziale Standards einhalten sollen.
Low Carbon Accelerator ist ein Investmentfonds, der vornehmlich junge Umwelttechnologiefirmen finanziert, und, wie der Name sagt, die Entwicklung von energieeffizienten Technologien beschleunigen will. Fondsmanager Mark Shorrock kann sich vor Anrufen anderer Investoren kaum retten, die an jenen »Cleantech«-Unternehmen interessiert sind, die er mit Kapital versorgt. »Ich muss denen keinen Vortrag mehr halten über Klimawandel, die wissen längst Bescheid.« Die |140| Geldwelt muss für den Klimaschutz wirklich nicht mehr wachgerüttelt werden.
»Die Privatwirtschaft galoppiert davon, und die Politik hinkt hinterher«, meint Paul Dickinson vom Carbon Disclosure Project in London, einer Art Transparency International für den Klimaschutz. Die Organisation bringt über 385 Investoren mit einem Anlagevermögen von 57 Billionen US-Dollar zusammen – mehr als ein Drittel des weltweit verwalteten Vermögens. Ihr Ziel: Unternehmen zu drängen, ihre Treibhausgasemissionen offenzulegen. Anleger sollen so besser einschätzen können, wie profitabel eine Firma ist, wie ihre Chancen und Risiken stehen angesichts von Klimawandel und Klimapolitik. Im Privatsektor spüre man seit einigen Jahren eine enorme Energie, berichtet Dickinson. Die Herausforderung an die Politik sei es, den Tiger zu reiten.
Früher haben sich Umweltschützer an Bäume gekettet oder in Baumkronen gelebt, um das Abholzen von Wäldern zu verhindern. Heute retten findige Finanzjongleure die Umwelt. Die Hoffnung für den Klimaschutz liegt auf Bildschirmen von Emissionshändlern, Geschäftsmännern im feinen Zwirn und risikofreudigen Unternehmern. Die Klimaschützer von heute heißen Carbon Trust, EnviroMarket, CantorCO2e, Climate Change Capital oder Carbon Capital Markets.
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Die International Emissions Trading Association (IETA), ein
Interessenverband
von Emissionshändlern und
Industrieunternehmen
, die den Emissionshandel unterstützen, und die Weltbank beziffern den Markt für Emissionsrechte im Jahr 2007 auf insgesamt 64 Milliarden US-Dollar. »Der Emissionshandel ist 2007 richtig durchgestartet. Dies ist ein Zeichen für den Erfolg dieses Marktes«, erklärt Patrick Birley, Chef der European Climate |141| Exchange (ECX) in Amsterdam. Die ECX hatte Ende 2007 Emissionsrechte für eine Milliarde Tonnen
Kohlendioxidemissionen
gehandelt. 2005 wurden 9 Milliarden Euro gehandelt, Ende 2007 waren es bereits 40 Milliarden Euro. Mark Fulton, Leiter der Strategieabteilung der Deutschen Bank prognostiziert, dass der Emissionshandel in den kommenden 20 bis 30 Jahren »signifikant wachsen wird«. Der Markt für Produkte und Dienstleistungen in Sachen Klimaschutz habe ein
Milliardenpotenzial
. Er werde eine Brücke zwischen Ökologie und Ökonomie schlagen. Und die auf Energiefragen spezialisierte Beraterfirma Global Change
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