Die Klimaprioritaeten
Associates schätzt, dass in etwa 20 Jahren Emissionsrechte im Wert von 3 Billionen US-Dollar gehandelt werden könnten. Zum Vergleich: Das Marktvolumen von Öl, Gas und Kohle zusammengenommen beträgt heute 3 Billionen US-Dollar.
»Klimawandel als Investmentchance« titelt das Handelsblatt und beobachtet im Klimaschutzmarkt eine »riesige
Aufbruchstimmung
«. Immer neue Fonds und Zertifikate werden aufgelegt wie der »Merrill Lynch Carbon Leaders Index«, der Anlegern die Möglichkeit gibt, in Aktien von klimafreundlichen, energieeffizienten europäischen Unternehmen zu investieren. Das Deutsche Aktieninstitut in Frankfurt veröffentlicht im Dezember 2007 seinen Statusbericht »Nachhaltige Geldanlagen 2007«. Demnach sei das Volumen nachhaltiger Investitionen von Anlegern aus dem deutschsprachigen Raum im Jahr 2006 um mehr als ein Drittel auf 20 Milliarden Euro gestiegen.
UN-Chef Ban Ki-moon sieht bereits das Zeitalter einer »grünen Wirtschaft« heraufziehen, weil zur internationalen Klimakonferenz auf Bali im Dezember 2007 nicht nur die üblichen verdächtigen Regierungsunterhändler, Umweltaktivisten und Klimaforscher in Scharen anreisten, sondern auch 1 000
Emissionshändler
und Investoren.
|142| So verheißungsvoll das alles klingt, das Heer der neuen Klimaschützer konnte jedoch bislang nicht verhindern, dass sich die Erdatmosphäre weiter aufheizt, oder erreichen, dass die Emissionsziele des Kyoto-Protokolls erfüllt werden. Kann der Markt halten, was er verspricht, ist Emissionshandel nicht doch, wie Umweltschützer gern ins Feld führen, eine Art Ablasshandel, damit sich Industriestaaten aus der eigenen Verantwortung stehlen können, wodurch aber am Ende keine Emissionen gesenkt werden? Und was haben die U-Bahn in Neu Delhi und Mülldeponien in Brasilien mit Emissionshandel zu tun? Und überhaupt, haben die Marktmechanismen des Kyoto-Vertrags nicht nur für den weiteren Ausbau von UN-Bürokratie gesorgt, anstatt Emissionen effizient zu reduzieren?
Garth Edwards glaubt an Markt und Handel. Der sportliche Mann mit blondem Bürstenhaarschnitt und elegantem Anzug wechselte vor kurzem als Emissionshändler von Shell Trading in London zur Citigroup ein paar Straßen weiter. Dass der Markt erfolgreich sein könne, sagt er, sei bereits seit den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts in den USA bewiesen worden, dem Mutterland des Emissionshandels. Dort half ein bis heute bestehendes nationales Handelssystem den Ausstoß von Schwefeldioxid drastisch zu senken. Edwards arbeitete zunächst beim UN-Umweltprogramm in Kenia, ging dann nach New York zu Natsource, einer der ersten Maklerfirmen, die mit Treibhausgasen handelte, bevor er bei Shell als »Händler für Umweltprodukte« anfing. Der Unterschied zwischen Reden und Handeln habe für ihn den Ausschlag gegeben, vom öffentlichen in den privaten Sektor zu wechseln. »Die Vereinten Nationen machen gute Projekte, aber es wird zu viel geredet, und alles dauert ewig lange. Unternehmen mobilisieren viel rascher Kapital, und das ist für den wirtschaftlichen Wandel nötig.«
Die Vereinigten Staaten waren in den Neunzigern das Pionierland |143| für den Tausch von Emissionsrechten und New York der aufstrebende Handelsplatz. »Cap and Trade« lautet das Handelsprinzip. Der Staat legt eine Obergrenze für Emissionen fest, »deckelt« den Ausstoß sozusagen, vergibt oder versteigert an Unternehmen Emissionsrechte, die zwischen den Firmen gehandelt werden können. Am Ende einer festgelegten Handelsperiode muss ein Unternehmen so viele
Verschmutzungsrechte
einreichen, dass sie mit den realen Emissionen Tonne für Tonne übereinstimmen. Der Deckel wird jedes Jahr von der Regierung gesenkt, dementsprechend weniger
Verschmutzungsrechte
ausgegeben oder versteigert.
Ausgerechnet die Amerikaner sorgten dafür – welch Ironie –, dass Emissionshandel im Kyoto-Protokoll verankert wurde, nur um sich dann aus dem von ihnen maßgeblich
mitgeschneiderten
Vertragswerk mit seiner Marktkomponente wieder zu verabschieden. Mit der Bush-Ära wurde Klimaschutz in Washington fast zum Schimpfwort, Europa übernahm den Staffelstab und schuf den europäischen Emissionshandel.
Um die Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll zu erreichen, hoben die EU-Staaten das Europäische
Emissionshandelssystem
(EU ETS) aus der Taufe mit dem Ziel, Emissionen dort zu reduzieren, wo es billiger ist. Der Handel startete Anfang 2005. »Selbst wenn ein Nachfolgevertrag zu Kyoto scheitern sollte, wird es
Weitere Kostenlose Bücher