Die Klimaprioritaeten
Für Entwicklungsländer sollten unbürokratische Möglichkeiten bestehen, Klimaprojekte umzusetzen, um den Markt für Emissionsgutschriften zu vergrößern. Die |173| Entwicklungsländer sollten aber auch freiwillige Reduktionsziele für bestimmte Wirtschaftssektoren übernehmen. Und die Industriestaaten sollten die Verpflichtungen des G8-Treffens von Gleneagles einhalten, was die zusätzlichen
Entwicklungskosten
armer Länder angesichts des Klimawandels anbetrifft.
Selbst wenn es den Europäern gelingen sollte, China und Indien davon zu überzeugen, ihre Emissionen zu senken, ist der Emissionshandel kein Allheilmittel. Und er reicht nicht, die Welt vor einem folgenschweren Klimawandel zu retten. Schon gar nicht in der gebotenen Eile. Deshalb muss es beim Klimaschutz komplementäre Lösungen geben. Nichts sollte tabu sein. Ob längere Laufzeiten sicherer Atommeiler in Europa, CO2-Steuern, höhere Energieverbrauchsstandards oder Tropenwälder als Kohlendioxidspeicher. Das Kyoto-Protokoll und ein möglicher Nachfolgevertrag bilden dabei ein Fundament. Wie kein anderes internationales Abkommen wurde es zum Katalysator, der ökologische und wirtschaftliche Probleme, gerade in Entwicklungsländern, lindern helfen kann.
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Wer sich ein paar Tage in London aufhält, mit
Investmentbankern
spricht, Finanzblätter liest, Fondsmanager trifft und dann wieder im Eurostar Richtung Kontinentaleuropa braust, hat das Gefühl, dass Klimawandel und Umweltschutz in den Chefetagen von Firmen angekommen sind.
Vor allem wer mit Paul Dickinson spricht, dem eloquenten und energischen Mitbegründer des Carbon Disclosure Project, hat den Eindruck, klimaschonendes Wirtschaften ist machbar, finanzierbar und nur eine Frage der Zeit. Die achtjährige Geschichte von Dickinsons Projekt scheint seinem Optimismus Nahrung zu geben – ein Projekt, das vielleicht wie wenig andere |174| Indikator ist für den Zeitgeist in Unternehmen beim Thema Klimaschutz, »fast die gesamte Investorenwelt an Bord« hat und prominente politische Fürsprecher wie Bill Clinton.
Die Entstehungsidee war relativ einfach: »Ich wollte etwas gegen den Klimawandel tun, und das Effektivste ist, dort anzusetzen, wo das Kapital arbeitet, bei Investoren.« Dickinsons Anliegen war, dass Investoren informierte Entscheidungen treffen können. Anleger sollten wissen, wie sich Klimawandel und Umweltschutzgesetze auf die Geschäftstätigkeit von Firmen auswirken. Auch der Aktienwert von Firmen werde sich in Zukunft danach richten, ob und wie Unternehmen mit dem Thema umgingen.
Jedes Jahr versenden Dickinsons Kollegen etwa 3 000 Umfragebögen an die weltweit größten Unternehmen. Die ersten Jahre war der Rücklauf schleppend. 2007 antworteten bereits 92 Prozent der britischen Firmen, 52 Prozent der deutschen Firmen (ein Jahr zuvor nur ein Drittel) und 30 Prozent der US-Firmen. Unternehmen legen dabei nicht nur ihre Emissionen offen, sie verraten auch, ob und welche Strategien sie beim Umgang mit dem Klimawandel haben. In Deutschland behaupten 40 Prozent, einen Plan zu haben, und 30 Prozent bemühen sich bereits darum, ihre Emissionen zu verringern. Dies ist im internationalen Vergleich keine Glanzleistung. 77 Prozent der 500 weltweit größten Unternehmen haben konkrete Vorstellungen, wie sie ihre Treibhausgase senken wollen.
Mit Blick auf die deutschen Firmen sagt Dickinson, es sei enttäuschend, dass immer noch zu viele Unternehmen sich in Schweigen hüllen. Doch auch mit denen, die berichten, gibt es ein Problem: Die Firmen entscheiden selbst, wie sie ihre Emissionen messen und über sie Auskunft geben. Und viele würden sicherlich ihren Ausstoß unterschätzen. Bislang würde nur ein Teil der Firmen, die antworten, aktiv Schritte unternehmen, |175| Emissionen zu senken. Am Ende kommt es darauf an, nicht nur offenzulegen, sondern auch etwas zu tun, räumt Dickinson ein. »Aber das Tun folgt hoffentlich dem Wissen.«
Es ist eine Frage der Perspektive, wie so oft. Dass sich immer mehr Firmen in die Karten gucken lassen, ist ein Fortschritt. Dass Anleger Unternehmen in eine nachhaltige Richtung drängen wollen ebenso. Dass dies aber auch nichts zu bedeuten haben muss, zeigt eine Studie der britischen Beraterfirma Whitehead Mann von 2007. Unter 100 befragten europäischen Konzernchefs war nicht einer, der von seinen Gesellschaftern unter Druck stand, aus Umweltschutzgründen
Geschäftspraktiken
zu ändern. Und 90 Prozent der befragten Investoren gaben zu Papier, sie
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