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Die Klimaprioritaeten

Titel: Die Klimaprioritaeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Streck
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würden sich nicht weiter um den Klimawandel kümmern.
    Der Unternehmer Lionel Fretz glaubt, dass freiwilliges Handeln der Privatwirtschaft seine Grenzen habe. Wandel werde vor allem durch strengere Gesetze kommen und öffentlichen Druck. »Ohne alarmierende Klimadaten wird auch nicht gehandelt.«
    Der Wachrüttler Paul Dickinson ist überzeugt, dass man dem Klimawandel letztlich nur begegnen könne, wenn er wie eine nationale Krise begriffen werde, in der alle Kräfte einer Gesellschaft mobilisiert werden. Und wie sieht ein Leben in solch einer Welt aus? »Wir fahren kleine Autos, machen Videokonferenzen statt unnötige Geschäftsreisen, essen weniger Rindfleisch, mehr Gemüse und wohnen in Niedrigenergiehäusern.«
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    Kapitel 6 Luxusemissionen und Lebensemissionen
    »Ohne internationale Verpflichtungen können Länder nicht sicher sein, dass andere ihren fairen Beitrag zum globalen Klimaschutzprojekt leisten.«
    Eileen Clausen, Pew Center on Global Climate Change
    Mayer Hillman fliegt nicht. Aus Prinzip. Nicht mal zur Hochzeit seines Sohnes ist er gereist, als der in New York eine Amerikanerin heiratete. Er fährt nur Zug oder Fahrrad. Oder läuft. Der alte Citroen vor seinem Haus in London sieht aus wie am Boden festgewachsen. Dafür ist der alte Mann umso agiler und verfügt über einem ungestümen Redefluss. Hillmann ist emeritierter Professor vom Policy Studies Institute und hat 40 Bücher geschrieben über Energieeffizienz, Umweltpolitik und Klimawandel. Doch eigentlich ist er kein
Sozialwissenschaftler
, sondern Missionar. Mit jedem abbrechenden Eisklotz in der Arktis fühlt er sich bestätigt, dass die Zeit für seine Botschaft gekommen ist: Das persönliche Kohlendioxidkonto. Ein Konto, das nie wächst, immer nur abnimmt.
    Vor dem ökologischem Ungemach durch den Klimawandel, so glaubt er, können uns nur noch drastische Schritte retten. Er glaubt nicht, dass Wirtschaftswachstum mit Klimaschutz vereinbar sind, dass CO2-Steuern, Emissionshandel und der Einfallsreichtum von Unternehmern wirksam
Klimaveränderungen
abwenden können. Es hält es für unrealistisch zu erwarten, dass Individuen, Kommunen oder Staaten unilateral ihre Treibhausgase verringern, wenn andere es nicht tun. Auch winkt er ab, wenn man ihm all die Supertechnologien von morgen |177| auflistet, die immer größer werdende Zahl von Unternehmen, die freiwillig grüner werden, und die Europäische Union erwähnt mit ihren ehrgeizigen Zielen, die Emissionen zu senken. »Politik und Wirtschaft wollen uns glauben lassen, dass wir im Grunde weiter so leben können wir bisher, wenn wir nur modernste Technologien einsetzen. Das ist ein Irrtum.«
    Hillman legt dar, dass ein Brite im Durchschnitt zehn Tonnen Kohlendioxid im Jahr verbraucht. Dies müsse in naher Zukunft auf eine Tonne sinken. Und er sagt, die Regierung müsse eine Art Notstand ausrufen, dass es ohnehin zu spät sei und wir nur noch versuchen könnten, das Leben auf der Erde zu verlängern. Man könne sich nun einmal nicht darauf verlassen, dass Menschen klimavernünftig handeln würden, also müsse man sie dazu zwingen und Kohlendioxid rationieren. Das sieht so aus: Jeder Bürger erhält ein CO2-Konto zugewiesen, dessen Betrag jährlich verringert wird. Die Höhe des Kontos wird nach international ausgehandelten
Emissionsniveaus für die jeweiligen Staaten festgelegt. Letztlich funktioniert das Prinzip wie der Emissionshandel. Wer zu Hause nur noch bei Kerzenschein sitzt, sein Auto verkauft, Urlaub auf dem Balkon macht und Tomaten aus dem Garten hinterm Haus verspeist, schont sein Konto und kann jemand anderem, der sein Konto überzogen hat, weil er unbedingt einen Geländewagen kaufen wollte, seine Verschmutzungsanteile verkaufen.
    Hillman glaubt allerdings, dass irgendwann gar keine Geländewagen mehr gebaut werden, da keiner mehr nachfragt. Eine negative Konsumspirale soll seine Vision auslösen. Die persönliche CO2-Kreditkarte soll auch eine zweite Währung sein. Ein extra Einkommen für Arme, die wenig konsumieren und ihre Emissionsrechte an Kohlendioxidsüchtige verkaufen könnten. Und damit allerdings auch ein Stück ihrer Freiheit verkaufen.
    Nach Hillmans Ansicht könne nur so Klimagerechtigkeit
hergestellt werden, die weltweit faire Verteilung von Treibhausgasen |178| pro Kopf. Seit Bundeskanzlerin Angela Merkel genau jenen Vorschlag im Sommer 2007 aufgriff, sieht er sein mahnendes Lebenswerk gekrönt. »Wie will man dies umsetzen außer mit personenbezogenen

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