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Die Klimaprioritaeten

Titel: Die Klimaprioritaeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Streck
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ausrichten.«
     
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    Seit 2005 ist das Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz in Kraft. Der Vertrag läuft noch bis 2012. Bislang konnte er nicht verhindern, dass sich die Erdatmosphäre weiter aufheizt. Im Gegenteil. Neue Studien warnen vor dramatischen Auswirkungen und mahnen radikalere Schritte an. Ist also Kyoto ein zahnloser Mammutvertrag, wie Bjørn Lomberg sagt, obsolet, bevor er seine Wirkung entfalten konnte?
    Seine Befürworter gaben sich nach der letzten
UN-Klimakonferenz
in Bali im Dezember 2007 optimistisch. Sie glauben, dass weitere notwendige Emissionsverminderungen verhandelt werden können. Kritiker hingegen halten das Vertragswerk für völlig unzureichend. Die damit angestrebten Reduzierungen würden nicht einmal annähernd ausreichen, den globalen
Temperaturanstieg
so weit zu stoppen, dass schwerwiegende Folgen vermieden werden können. In ihren Augen kann nur ein neues Vertragswerk mit drastischen Minderungszielen weiterhelfen.
    |171| Mit dem Kyoto-Protokoll verhält es sich jedoch wie mit der Demokratie. Der Vertrag ist nicht perfekt, ein ewiger, zäher und oft frustrierender Interessenausgleich (zudem ein globales Stimmengewirr Dutzender Staaten), der zu schwachen Kompromissen führt. Aber einen besseren Vertrag gibt es nicht, und weiterreichendere Verpflichtungen müssen eben erst noch verhandelt werden. Übertriebener Optimismus oder Defätismus helfen darum nicht weiter.
    Der Vertrag und sein Zustandekommen sind eine
Erfolgsgeschichte
. 155 Staaten haben ihn ratifiziert. Der
Verhandlungsprozess
hat eine enorme Öffentlichkeit erzeugt und tut dies weiterhin. Er hat dazu geführt, dass weltweit die Datenlage von Treibhausgasemissionen verbessert wurde, dass Länder erstmals Emissionsregister eingeführt haben. Er hat den multinationalen Emissionshandel und preiswerten
Technologietransfer
über den CDM in Entwicklungsländer geschaffen. Das Kyoto-Protokoll unterscheidet sich zudem von anderen Umweltabkommen dadurch, dass die Privatwirtschaft
einbezogen wird in die Vertragserfüllung von Staaten. Kein anderer internationaler Vertrag konnte bislang so viel Geld für
Umweltschutzprojekte
mobilisieren.
    Sein größtes Defizit: Die USA sind nicht mit im Boot. Doch die Amerikaner sind längst besser als ihr Ruf. Denn auch jenseits des Atlantik entfaltet der Klimaschutz eine progressive Dynamik. Die Isolation der Amerikaner wird spätestens mit dem Abgang von George W. Bush Geschichte sein. Bundesstaaten und Kommunen sind schon längst viele Schritte weiter. Sieben Neuenglandstaaten verabschiedeten eine regionale Klimainitiative, einen Emissionshandel für die eigene Energiewirtschaft. 852 Bürgermeister aller wichtigen Städte des Landes wollen in ihren Kommunen die Emissionsziele des Kyoto-Protokolls erfüllen. Und Kalifornien entwickelt ein |172| Emissionshandelssystem, das mit dem europäischen kompatibel sein soll.
    Auch die amerikanische Wirtschaft ist aktiv. Der Harvard-Ökonom Richard Sandor hat in Chicago eine Börse für Emissionsrechte gegründet. Über 30 Unternehmen konnte er für den Handel gewinnen. Darunter sind Konzerne wie Ford, Motorola und DuPont. Sie alle haben sich freiwillig verpflichtet, jedes Jahr ein Prozent weniger Kohlendioxid auszustoßen. Angesprochen auf die Forderung nach drastischen
Emissionsreduktionen
, sagte der Chef des US-Energieriesen Cinergy: »Sie werden kommen. Reden wir uns ein, dies sei nicht der Fall, werden wir uns auf der Speisekarte wiederfinden, nicht am Tisch.«
    Der andere entscheidende Knackpunkt: Wie lassen sich aufstrebenden
Wirtschaftsmächte wie China, Indien oder Brasilien einbeziehen, die, und das wird gern übersehen, starke Verfechter des Kyoto-Protokolls sind, den Vertrag ratifiziert haben, aber keinen Reduktionsverpflichtungen unterworfen sind? Aufgrund ihrer drängenden Umwelt- und
Anpassungsprobleme
wächst auch in diesen Ländern das Bewusstsein, dass der Ausstoß von Treibhausgasen gesenkt werden muss. Europäer und die »neuen« Amerikaner sollten Schwellen- und
Entwicklungsländern
entgegenkommen und möglichst viele Anreize schaffen, eine stärkere Rolle im internationalen Klimaschutz einzunehmen.
    Hierzu schlägt Nicholas Stern eine Art globalen Ausgleich vor. Die reichen Länder sollten strenge Ziele, ihre Emissionen zu senken, beschließen. Somit werde eine starke Nachfrage nach Emissionsgutschriften aus ärmeren Staaten geschaffen. Die Emissionshandelssysteme müssten offen sein, weitere Länder später zu integrieren.

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