Die Klinge der Träume
immer detaillierter. Ein gebogener, mattschwarzer schmuckloser Stab von der Breite ihres Handgelenks - er schien aus Metall zu bestehen, aber das eine Ende passte sich jeder Hand an, die ihn ergriff - ließ Aviendha an Schneiden denken, entweder Metall oder Stein, solange sie nicht zu dick waren. Allerdings nichts, das Feuer fangen konnte. Die angebliche Glasfigur eines Mannes, die einen Fuß hoch war und der die Hände hob, als wollte er signalisieren, dass es hier nicht mehr weiterging, würde Ungeziefer verjagen, was bei Caemlyns Ratten- und Fliegenplagen mit Sicherheit nützlich gewesen wäre. Eine Steinschnitzerei von der Größe ihrer Hand - sie fühlte sich wie Stein an, obwohl die Schnitzereien irgendwie durch natürliche Einflüsse geformt erschienen - war dafür gedacht, etwas wachsen zu lassen. Keine Pflanzen. Sie ließ sie an Löcher denken, aber es waren keine richtigen Löcher. Und sie glaubte nicht, dass jemand die Macht lenken musste, um sie zu aktivieren. Man musste nur das richtige Lied singen! Ein Terʹangreal, das nicht die Eine Macht brauchte! Singen?
Sephanie hatte Aviendhas Kleid endlich geschlossen und war in den Bann ihrer Beschreibungen geraten, ihre Augen wurden immer größer. Auch Essande hörte interessiert zu, den Kopf zur Seite gelegt, und bei jeder neuen Enthüllung gab sie ihrem Erstaunen durch Murmeln kund, aber sie hüpfte nicht auf den Zehen herum, wie Sephanie es tat.
»Was ist damit, meine Lady?«, platzte die junge Frau heraus, als Aviendha eine Pause einlegte. Sie zeigte auf die Statuette eines stämmigen bärtigen Mannes mit einem fröhlichen Lächeln, der ein Buch hielt. Zwei Fuß groß schien sie aus vom Alter gedunkelter Bronze zu bestehen, und sie war auf jeden Fall schwer genug, um es auch zu sein. »Wenn ich ihn ansehe, möchte ich auch immer lächeln, meine Lady.«
»Ich auch, Sephanie Pelden«, sagte Aviendha und streichelte über den Bronzekopf des Mannes. »Ihr müsst wissen, er hält mehr als nur ein Buch. Er hält Tausende und Abertausende Bücher.« Plötzlich hüllte das Licht Saidars sie ein, und sie berührte die Bronzefigur mit winzigen Strömen aus Feuer und Erde.
Sephanie quiekte auf, als über dem Kopf der Statuette zwei Wörter in der Alten Sprache erschienen, so schwarz wie mit guter Tinte geschrieben. Ein paar der Buchstaben waren etwas seltsam geformt, aber die Worte waren deutlich zu lesen. Ansoen und Imsoen schwebten im Nichts. Aviendha sah fast so überrascht wie die Zofe aus.
»Ich glaube, wir haben endlich unseren Beweis«, sagte Elayne ruhiger, als sie sich fühlte. Ihr Herz klopfte wild. Lügen und Wahrheit. So konnte man die beiden Worte übersetzen. Oder vielleicht wäre Dichtung und Wahrheit im Kontext die bessere Übersetzung gewesen. Ihr reichte dieser Beweis. Sie merkte sich, wo die Ströme die Figur berührten, für die Zeit, in der sie mit ihren Studien fortfahren konnte.
»Aber du hättest das nicht tun sollen. Es ist nicht sicher.«
Das Schimmern um Aviendha verschwand. »Beim Licht«, rief sie aus und warf die Arme um Elayne. »Ich habe nicht nachgedacht! Ich schulde dir großes Toh. Ich wollte dich oder deine Babys niemals in Gefahr bringen! Niemals!«
»Meine Babys und ich sind sicher.« Elayne lachte und erwiderte die Umarmung. »Mins Sicht?« Zumindest ihre Babys waren sicher. Bis zur Geburt. So viele Säuglinge starben in ihrem ersten Jahr. Min hatte nichts darüber hinaus gesagt, als dass sie gesund zur Welt kommen würden. Min hatte aber auch nichts darüber gesagt, ob sie ausbrennen würde, doch sie hatte nicht vor, das bei ihrer Schwester zur Sprache zu bringen, die sich bereits schuldig fühlte. »Du schuldest mir kein Toh. Ich habe dabei an dich gedacht. Du hättest sterben können, oder deine Fähigkeiten, die Macht zu lenken, hätten ausbrennen können.«
Aviendha wich weit genug von ihr zurück, um ihr in die Augen zu sehen. Was sie dort las, reichte aus, um sie zu beruhigen, denn ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen.
»Aber ich habe es zum Funktionieren gebracht. Vielleicht kann ich ihr Studium übernehmen. Wenn du mich anleitest, sollte es völlig sicher sein. Es sind noch Monate, bis du es wieder selbst übernehmen kannst.«
»Dafür hast du keine Zeit mehr, Aviendha«, sagte eine Frauenstimme aus Richtung der Tür. »Wir brechen auf. Ich hoffe, du hast dich nicht zu sehr an das Gefühl von Seide auf der Haut gewöhnt. Elayne, ich grüße Euch.«
Aviendha sprang förmlich aus der Umarmung und
Weitere Kostenlose Bücher