Die Klinge der Träume
einen Augenblick lang sackten ihre schmalen Schultern nach unten. »Ich befürchte es in der Tat«, sagte sie und straffte sich wieder. »Ich vermute, man hinterließ Hinweise bei den Sachen, die sie zurückließen, geliebte Erinnerungstücke wie diese Puppe, ein Lieblingsschmuckstück. Die Mörderin wollte uns glauben machen, dass sie ihre Verbrechen geschickt verbergen konnte, aber eben nicht geschickt genug, bloß dass wir nicht schlau genug waren, diese Hinweise zu finden. Also entschied sie sich, offensichtlicher zu werden.«
»Um den Kusinen Angst einzujagen, damit sie die Flucht ergreifen«, murmelte Elayne. Das würde sie nicht völlig handlungsunfähig machen, aber dann wäre sie wieder allein auf die Gnade der Windsucherinnen angewiesen, und die schienen damit geizig zu werden. »Wie viele von ihnen wissen Bescheid?«
»Mittlerweile wohl alle, vermute ich«, sagte Vandene trocken. »Zarya hat Derys befohlen, den Mund zu halten, aber diese Frau hört sich gern reden.«
»Das scheint gegen mich gerichtet zu sein, um Arymilla auf den Thron zu helfen, aber warum sollte sich eine Schwarze Schwester dafür interessieren? Ich kann nicht glauben, dass wir zwei Mörderinnen in unserer Mitte haben. Wenigstens ist damit die Frage mit Merilille geklärt. Vandene, sprecht mit Sumeko und Alise. Sie können dafür sorgen, dass der Rest nicht in Panik ausbricht.« Sumeko war nach Reanne die Ranghöchste gewesen, so wie die Kusinen ihre Rangfolge regelten, und auch wenn Alise eine bedeutend niedrigere Stellung einnahm, war sie doch eine Frau mit großem Einfluss. »Von jetzt an soll keine von ihnen mehr allein sein, bei keiner Gelegenheit. Immer mindestens zwei zusammen, und drei oder vier wären besser. Und sagt ihnen, sie sollen sich vor Careane und Sareitha in Acht nehmen.«
»Davon rate ich ab«, sagte Vandene schnell. »In der Gruppe sollten sie sicher sein, und Careane und Sareitha würden das mitbekommen. Sie vor Aes Sedai warnen? Die Kusinen würden sich auf der Stelle verraten.« Kirstian und Zarya nickten ernst.
Nach einem kurzen Moment stimmte Elayne der weiteren Geheimhaltung zögernd zu. Die Kusinen müssten in Gruppen sicher sein. »Informiert Chanelle über Reanne und die anderen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Windsucherinnen in Gefahr sind - sie zu verlieren würde mir nicht so schaden wie der Verlust der Kusinen -, aber wäre es nicht wunderbar, wenn sie sich zur Abreise entscheiden würden?«
Sie rechnete nicht damit, dass das passieren würde - Chanelle fürchtete sich davor, zum Meervolk zurückzukehren, ohne ihren Teil des Abkommens eingehalten zu haben -, aber sollten sie es dennoch tun, wäre das ein Lichtblick in einem ansonsten erbärmlichen Tag gewesen. Zumindest erschien es unwahrscheinlich, dass dieser Tag noch schlimmer werden konnte. Der Gedanke ließ sie erschaudern. Beim Licht, man konnte nur hoffen, dass er nicht noch schlimmer wurde.
Arymilla schob den Teller mit dem Eintopf mit einer Grimasse von sich. Man hatte ihr verschiedene Übernachtungsmöglichkeiten angeboten - Arlene, ihre Zofe, traf mittlerweile die Wahl; die Frau wusste, was ihr gefiel -, und das Mindeste, was sie erwartete, war eine vernünftige Mahlzeit, aber das Hammelfleisch war fettig und hatte definitiv angefangen zu vergammeln. Das war in letzter Zeit zu oft passiert. Dieses Mal würde der Koch ausgepeitscht werden! Sie war sich nicht sicher, welcher der Adligen im Lager ihn beschäftigte, nur dass er angeblich der Beste sein sollte, der zur Verfügung stand - der Beste! Aber das spielte keine Rolle. Er würde ausgepeitscht werden, um ein Exempel zu statuieren. Und danach natürlich fortgeschickt werden. Man konnte keinem Koch weiterhin vertrauen, nachdem er bestraft worden war.
Die Stimmung im Zelt war alles andere als lebhaft. Mehrere der Adligen im Lager hatten auf eine Einladung zum Essen gehofft, aber keiner von ihnen stand hoch genug im Rang. So langsam bedauerte sie, nicht doch einen oder zwei gefragt zu haben, selbst welche von Naeans oder Elenias Leuten. Sie wären vielleicht unterhaltsam gewesen. Ihre engsten Verbündeten saßen zusammen am Tisch, und man hätte glauben können, sie wären bei einem Totenschmaus. Oh, der dürre alte Nasin, dessen sich lichtendes Haar ungekämmt war, aß herzhaft, ohne dabei zu bemerken, dass das Fleisch fast verfault war, und tätschelte ihr dabei immer mal wieder auf väterliche Weise die Hand. Sie erwiderte sein Lächeln wie eine brave Tochter. Heute Abend
Weitere Kostenlose Bücher