Die Klinge des Löwen 01
gespieltem Unmut, „eigentlich hättest du
eine Tracht Prügel verdient, Knappe! Du hast eigenmächtig
deinen Posten verlassen. Was glaubst du, was geschehen wäre,
wenn in der Zwischenzeit die Bewaffneten aus dem Lager in unserem
Rücken aufgetaucht wären?“
„ Ich...ich
dachte, das Leben der Gräfin zu schützen, sei wichtiger“,
antwortete Roland erschrocken.
„ Er
meint es gar nicht so“, flüsterte Ida dem erstaunten
Knappen ins Ohr. „In Wirklichkeit ist er stolz auf dich - und
ich bin es auch!“
Nun
geschah aber genau das, was Dietrich seinem Knappen eben noch als
Schreckgespenst an die Wand gemalt hatte: Vier Bewaffnete brachen aus
dem Wald jenseits der Lichtung hervor. Zwei von ihnen waren beritten.
Ziemlich schnell kamen sie über die spärlich mit Bäumen
bestandene Fläche daher. Dietrich handelte augenblicklich. Er
schnappte den kleinen Bernhard und rief den anderen zu: „Vorwärts,
zu den Pferden!“
Die
feindlichen Reiter waren noch etwa zweihundert Schritt entfernt;
doppelt so groß war die Entfernung der beiden Krieger ohne
Pferde. Roland, der die Gefahr erkannt hatte, rannte mit großen
Sprüngen zu den eigenen Reittieren, die fünfzig Schritte
entfernt an die Bäume gebunden waren. Lediglich Titus stand frei
zwischen den Stämmen und lauschte mit gespitzten Ohren. Dietrich
stieß im Laufen sein Schwert in die Scheide. Er steckte zwei
Finger in den Mund und ließ einen Pfiff ertönen, der
sofort mit lautem Wiehern beantwortet wurde. Aus dem Gehölz
heraus kam der Rappe ihm im Galopp entgegengesprengt.
„ Nimm
das Kind“, rief Dietrich Giselbert zu, der etwas
zurückgeblieben war, weil er den Schutz der beiden Frauen
übernommen hatte, die mit ihren langen Gewändern nicht so
schnell laufen konnten und außerdem ihre Pferde am Zügel
führten. Eilig nahm der Kriegsknecht Dietrich den Knaben ab.
Titus
stand im nächsten Augenblick vor seinem Herrn. Der sprang in den
Sattel, riß sein Schwert aus dem Wehrgehänge und trieb den
Rappen zu schnellem Lauf an. Das Streitroß fiel aus dem Stand
in Galopp und stürmte mit einem Wiehern, das wie ein
Trompetenstoß klang, auf die vordersten der Feinde zu.
Dietrich
erkannte, daß die beiden Berittenen ihn in die Zange nehmen und
mit vereinten Kräften unschädlich machen wollten. Die Hufe
der aufeinander zustürmenden Rosse trommelten dumpf auf den
Waldboden, daß es klang wie ferner Donner bei einem
heraufziehenden Gewitter. Dietrich sah, wie seine beiden Gegner näher
zusammenrückten und nur eine schmale Gasse freiließen.
'Ha!'
dachte er, als er mit einem Blick die Absicht der Gegner
durchschaute, 'die Burschen wollen mich gemeinsam erledigen!'
„ Den
Braten werden wir ihnen versalzen, Titus!“ murmelte er und sah
am Spiel der Ohren des Rappen, daß ihn das Tier verstanden
hatte. Zehn Schritt von den Gegnern entfernt, änderte Titus
aufgrund eines leichten Zügelzuges blitzschnell die Richtung und
donnerte seitlich an den heranpreschenden Feinden vorbei.
Kaum
war dies geschehen, veranlaßte sein Reiter eine blitzschnelle
Wendung. Nach einer wirbelnden Drehung jagten Roß und Reiter
drei Herzschläge lang in der eingeschlagenen Richtung weiter,
und nach einem weiteren engen Bogen befanden sie sich im Rücken
der feindlichen Reiter. Kein anderes Pferd hätte eine solch
wilde Jagd durchgestanden, ohne zu straucheln. Aber Titus'
Körperbeherrschung war unter dem Einfluß von Dietrichs
Training so perfekt geworden, daß die ungewöhnlichen und
gefährlichen Manöver dem Pferd regelrecht Spaß zu
machen schienen.
In
vollem Galopp holte Dietrich die beiden Reiter ein. Diese waren,
nachdem sie den Ritter verfehlt hatten, einfach im selben Tempo
weitergeritten, um sich seiner zu Fuß flüchtenden
Schützlinge zu bemächtigen. Zu spät merkten sie, daß
der feindliche Ritter sich plötzlich unmittelbar hinter ihnen
befand und sie angriff. Einer der beiden riß sein Pferd zur
Seite. Der andere hob abwehrend sein Schwert, als Dietrichs Klinge
mit einem mächtigen Hieb heruntersauste. Mit blechernem Klang
zersprang das Eisen des Gegners, der darauf hin seinem Roß die
Sporen in die Weichen stieß und flüchtete. Dietrich warf
Titus herum und erwartete den anderen Gegner, der mit wildem Geschrei
auf ihn losstürmte. Ohne Mühe parierte er mit seiner Klinge
den überhastet geführten Schwertstreich des
vorbeipolternden Feindes.
Abermals
wendete Dietrich sein Roß. Sein Gegner tat desgleichen. In der
Zwischenzeit waren auch dessen zu Fuß
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