Die Klinge des Löwen 01
Bertha, die auf der anderen Seite des
Kamins saß. Sie hatte den kleinen Bernhard auf dem Schoß,
der sich erkältet hatte, und flößte ihm mit Honig
verstärkten Spießkrauttee ein.
Dietrich
musterte die Zofe mit einem eigentümlichen Blick, bevor er sich
wieder Ida zuwandte. „Was gestern abend auf Drängen
Elisabeths beschlossen wurde, gilt heute nicht mehr.“
„ Wirklich?“
rief die Gräfin. „Wir werden nicht hierbleiben?“
In
Idas Frage schwang so etwas wie Freude mit.
„ Nein“,
entgegnete Dietrich. In kurzen Worten berichtete er nun, was sich an
diesem Morgen vor den Toren der Burg und im Torbau zugetragen hatte
und schloß mit den Worten: „Nach allem, was ich heute
erfuhr, ist der Burgherr angesichts der veränderten Lage
heilfroh, wenn wir unsere Reise so schnell wie möglich
fortsetzen!“
Ida
lachte belustigt auf. „Gestern hörte sich das aber noch
ganz anders an. Weiß denn Werners Gemahlin schon davon?“
„ Vielleicht
erzählt er es ihr gerade. Ich glaube kaum, daß sie ihm
widersprechen wird. Er dürfte ihr die Gefahren, die der Burg
drohen, wenn wir bleiben, in den schwärzesten Farben malen.“
„ Meint
Ihr?“ Sie sah ihn lange an. Der fast zärtliche Ausdruck in
ihren dunkelbraunen Augen machte ihm das Herz warm. „Beim
Festmahl schien es mir aber, als führe sie das Zepter! Und sie
war es doch auch, die darauf bestand, daß wir bleiben.“
„ Davon
wird sie nach dem, was ihr Gemahl ihr schildern wird, wohl nichts
mehr wissen wollen“, entgegnete Dietrich lächelnd,
angenehm berührt von der Vertraulichkeit, mit der sie ihn in
ihre Überlegungen einbezog. „Jetzt werden die beiden
zusehen, wie sie ihren Kopf aus der Geroldsecker Schlinge ziehen. Und
das wird ihnen nur gelingen, wenn sie uns rasch loswerden.“
Bertha,
bisher mit dem Knaben beschäftigt, sah mißmutig auf. „Dann
geht also die Plackerei wieder los!“
Die
Gräfin warf ihr einen mißbilligenden Blick zu. „Was
ich zu ertragen vermag, wird dich bestimmt auch nicht umbringen!“
„ Das
gerade nicht“, entgegnete die Zofe schnippisch. „Aber man
wird ja wohl noch sagen dürfen, was einem unangenehm ist!“
Ida
sah Dietrich mit hochgezogenen Augenbrauen an und schüttelte
schweigend den Kopf. Er fühlte sich veranlaßt, die
Atmosphäre zu entspannen.
„ Wir
haben den ersten Teil der Reise gut überstanden“, sagte er
in beruhigendem Ton. „Das soll auch für den zweiten
gelten.“
Bertha
lächelte dünn. „Mir scheint, Ihr seid versessen
darauf, die Reise in die Länge zu ziehen!“
„ Halt
endlich deinen Mund, Bertha“, wies die Gräfin ihre Zofe
zurecht. „Du weißt ja nicht, was du redest!“
Sie
warf Dietrich einen warnenden Blick zu, und er sah, daß sie rot
geworden war. Rasch ergriff er wieder das Wort. „Es ist ja noch
längst nicht ausgemacht, wann wir aufbrechen können. Im
Augenblick sieht es jedenfalls nicht danach aus.“
Sie
sah ihn verwundert an. „Warum denn nicht?“
„ Weil
die Feinde den Zugang zur Burg besetzt halten. Das bedeutet, daß
wir hier festgenagelt sind und warten müssen, bis das Kriegsvolk
abgezogen ist.“
„ Was
meint Ihr, wann das sein wird?“
Düster
schüttelte Dietrich den Kopf. „Ich weiß es nicht. Es
kommt darauf an, ob Urban von Geroldseck einen Plan verfolgt, oder ob
das Ganze uns nur verunsichern soll. Sein Sohn Egeno ist offenbar
wegen seiner Verwundung nicht einsatzfähig, und wie es scheint,
hat der Alte den Schurken Erdmann damit betraut, uns
gefangenzunehmen.“
„ Erdmann?“
Die
Zofe, eben dabei, das Kind sorgsam in eine Decke zu hüllen, sah
auf. Auf ihren Zügen lag ein gespannter Ausdruck.
„ Unser
Erdmann?“ sagte Ida verblüfft. „Erklärt Euch
näher!“
„ Nun,
Erdmann war nicht der, als den er sich ausgab! Er hat sich in das
Vertrauen Eures Gemahls eingeschlichen, um zu spionieren.“
„ Woher
wißt Ihr das?“
„ Der
Heerhaufen, der vor den Mauern dieser Burg steht, wird von ihm
angeführt! Er ist offensichtlich ihr Hauptmann und somit ein
Gefolgsmann Graf Urbans von Geroldseck.“
Bertha
hatte sich erhoben, und ihr Gesicht war kreidebleich. Dietrich sah
verwundert, wie sie ihn mit schreckgeweiteten Augen anstarrte. „Ist
Euch nicht gut, Bertha?“
Abwehrend
schüttelte sie den Kopf. „Nur ein leichter Schwindel,
durch die Wärme des Feuers vielleicht...“
„ Dann
geh zum Fenster und schnappe frische Luft“, riet ihr die
Gräfin. Sie wandte sich wieder dem Ritter zu. „So haben
wir es also diesem
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