Die Klinge des Löwen 01
Spion Erdmann zu verdanken, daß man auf Burg
Geroldseck von unserer Reise unterrichtet war?“
„ Danach
sieht es aus“, entgegnete Dietrich. Nachdenklich fügte er
hinzu: „Es ist mir jedoch ein Rätsel, wie er unseren Weg
erfahren konnte und die Tatsache, daß wir uns eine Weile auf
Burg Husen aufhalten würden.“
„ Da
habt Ihr recht“, sagte Ida nachdenklich. „Egeno war ja
mit seinen Waffenknechten schon vor uns da!“
Ein
Aufschluchzen aus der Fensternische lenkte die Aufmerksamkeit der
beiden dorthin. Bertha saß auf der mit Kissen bedeckten
Steinbank. Sie hielt ein gelbes Seidentuch vor Mund und Nase und
schluchzte. Gleich darauf ging das Schluchzen in hemmungsloses Weinen
über. Eine unerträgliche Erregung schien die Frau ergriffen
zu haben, deren sie offenbar nicht Herr zu werden vermochte. Im
Verein mit ihr fing auch der kleine Bernhard an zu plärren, wie
das oft bei Kindern geschieht, die sich gar leicht von Lachen und
Weinen anstecken lassen.
Ida
erhob sich bestürzt und eilte zu ihrer Kammerfrau. „Um
Gottes willen, was hast du denn, Bertha?“
Auch
Dietrich trat näher, und nahm den weinenden Knaben auf den Arm.
Er hatte keine Erklärung für die Erregung der Zofe. Ihm
schien es jedoch, als hinge ihr Zustand mit der Nennung des Namens
Erdmann zusammen.
„ Sprich
doch!“ drängte Ida, die sich neben die in völliger
Auflösung befindliche Frau gesetzt hatte und sie behutsam mit
dem Arm umfing. Aber Bertha schüttelte wild den Kopf. Mit
tränenüberströmtem Gesicht starrte sie auf Dietrich,
und der Ausdruck des Entsetzens auf ihren Zügen ließ es
ihm geraten erscheinen, sich zurückzuziehen und die beiden
Frauen allein zu lassen. Er stellte den Kleinen, der sich rasch
beruhigt hatte, wieder auf die Füße und verließ den
Raum.
Später,
als Dietrich nachmittags die Gräfin erneut in ihrer Kemenate
aufsuchte, erzählte sie ihm, was die Zofe ihr gestanden hatte.
Ida befand sich diesmal allein in dem Gemach und saß auf einer
gesteppten Decke in der hohen Fensternische, in die die Aprilsonne
ihre wärmenden Strahlen sandte.
Bertha
habe ein Verhältnis mit Erdmann gehabt, begann sie. Er habe ihr
weisgemacht, daß ihm von Graf Max eine führende Stellung
bei der Burgbesatzung der Ortenburg in Aussicht gestellt worden sei.
Da er dann guten Sold erhielte, würde er sie mit Erlaubnis
seines Herrn heiraten. Als später klar geworden war, daß
die Zofe an der geplanten Reise teilnehmen sollte, habe Bertha ihren
Geliebten Erdmann notgedrungen davon unterrichtet. Sie habe ihm
jedoch zu keinem Zeitpunkt etwas über das Reiseziel oder den
Reiseweg gesagt. Darauf müsse Erdmann von selbst gestoßen
sein.
Ida
von Ortenburg beendete ihren Bericht mit den Worten: „Sie war
bereit, Stein und Bein zu schwören, gegenüber Erdmann keine
Einzelheiten erwähnt zu haben. Das glaube ich ihr auch, denn sie
wußte bis zu unserem Aufbruch nicht genau, wohin die Reise
gehen würde.“
Dietrich
nickte. „Bertha kann wohl nichts dafür, daß Verrat
im Spiel war. So, wie es aussieht, ist sie selbst ein Opfer.“
Die
Gräfin sah ihn lange schweigend an. „Mir scheint, wir alle
sind Opfer des Verräters“, sagte sie schließlich.
Er
schüttelte den Kopf, und ein grimmiges Lächeln umspielte
seine Lippen. „So weit, daß wir als Opfer dastehen, ist
es noch nicht. Jedenfalls so lange nicht, wie ich eine Klinge zu
führen vermag!“
Ida
erhob sich und näherte sich Dietrich. Mit zarter Geste legte sie
ihre Hand auf seine Linke, die auf den Schwertknauf gestützt
war.
„ Ich
weiß“, sagte sie leise. „Ihr seid mein Schwert und
mein Schild, nicht wahr?“
Sie
stand dicht vor ihm, und er spürte ihren warmen Atem. Er sah,
wie ihre Brust sich erregt hob und senkte. Durch die offenen Fenster
klang gedämpft das geschäftige Getriebe aus dem Burghof
herauf. Ida hielt ihre Augen gesenkt, und er sah, wie die bläulichen
Lider bebten, deren lange Wimpern sie wie ein Strahlensaum aus
schwarzem Samt umgaben. Er griff mit der Rechten unter ihr Kinn und
hob sanft ihr gesenktes Haupt, dessen blauschwarzes Haar ihr Gesicht wie ein filigranes Kunstwerk umrahmte.
„ Wie
schön Ihr seid“, flüsterte er heiser.
Im
Hof drunten schien ein Streit aufzuflammen. Eine keifende
Frauenstimme war zu hören, und der Lärm brach den Bann in
der Kemenate.
„ Wie
lange, denkt Ihr, müssen wir hier noch ausharren?“ fragte
sie betont sachlich, indem sie sich ihm entzog.
Dietrich
sah sie verwirrt an. War es möglich, daß er
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