Die Klinge des Löwen 03
Rosse
beaufsichtigen, sie füttern und tränken, kleine
Reparaturarbeiten für das Heer übernehmen und was sonst
noch zum Alltag eines Heerlagers gehört."
Eine Weile herrschte
Schweigen. Aber schließlich nickte der Graf bedächtig und
sagte: "Ich glaube, du hast recht. Wir wissen ja nicht, wann der
Angriff erfolgt. Aus den drei, vier Tagen, von denen der Herzog bei
seiner Abreise sprach, sind mittlerweile zehn geworden. Das
Slawenvolk scheint sich Zeit zu lassen, und jeder Tag, der hier
unnütz vergeht, läßt Schwierigkeiten wachsen wie
Gras."
Dietrich wußte,
worauf Graf Max anspielte. Die Krieger ihres Heeres wurden des
Wartens auf den Feind allmählich überdrüssig.
Streitereien unter ihnen, meistens wegen Nichtigkeiten, häuften
sich. Die Gefahr bestand, daß einzelne Adlige drauf und dran
waren, mit ihren Waffenknechten wieder abzuziehen, weil sich bei
ihnen der Eindruck verstärkte, der Herzog sei womöglich
einem falschen Alarm aufgesessen. Noch hatte keiner der Edlen den
Anfang gemacht. Momentan wurde das Kriegsvolk mit Waffenübungen
und Wettkämpfen wie Lanzenstechen, Pfeilschießen und
Speerwerfen beschäftigt, und ein Teil der rauhbeinigen Gesellen
konnte auf diese Weise die überschüssige Kraft austoben.
Aber ewig ließ sich diese Art Ablenkung nicht aufrechterhalten,
das wußten die Kriegsleute so gut wie ihre Herren. Und was kam
dann? Vielleicht hatte die Führung des Slawenheeres beschlossen,
den Sommer dort zu verbringen, wo sie sich jetzt aufhielten! Dietrich
konnte sich durchaus vorstellen, daß der lange Weg aus dem
Norden in die südlichen Gefilde das Slawenheer zwang, sich von
den Strapazen der Reise zu erholen, bevor es angriff. Die Berichte
mancher Flüchtlinge deuteten darauf hin, daß die Eroberer
überall dort, wo sie die Menschen von Haus und Hof vertrieben
hatten, eine Zeitlang festsetzten. Andere erzählten, daß
Nachbarn von ihnen gezwungen wurden, sogar Sklavendienste zu leisten.
Wenn das alles stimmte, dann war anzunehmen, daß der Feind es
nicht sonderlich eilig hatte.
Daran mochte
Dietrich jedoch lieber nicht allzu oft denken; denn es war gut
möglich, daß sich der ganze Aufwand zur Aufstellung des
Verteidigungsheeres schon bald als verfrüht oder gar unnötig
erweisen würde. Sollte sich das bewahrheiten, dann erwartete ihn
das Joch einer erzwungenen Verbindung mit einer Gemahlin, die er kaum
kannte. Ihm war klar, daß sein einstiger Lehnsherr ihn in einem
solchen Fall möglichst rasch loswerden wollte, weil er annahm,
daß sein junger Nebenbuhler auf der Thiersburg an die Kette
gelegt werde. Wahrscheinlich glaubte er, damit sei dann die Gefahr
für seine eigene Ehe endgültig gebannt.
Aber noch war es
nicht so weit! Und so machte sich Dietrich nach dem Gespräch mit
Graf Max sofort daran, mit Hilfe einiger Dienstleute der Burg und
seinem Knappen Roland die Flüchtlingsmasse am Heerlager vorbei
in die östliche Vorbergzone zu schleusen. Glücklicherweise
hatte es seit längerem nicht mehr geregnet, so daß die
Leute mit ihren Karren das sonst morastige Gebiet nahe der Künzig
ohne Schwierigkeit überqueren konnten. Am Fuße eines zu
den bewaldeten Bergen aufsteigenden Wiesenhanges ließ Dietrich
die Fuhrwerke zu einer Wagenburg zusammenschieben, und innerhalb
dieses Schutzes entfaltete sich bei den Flüchtlingen allmählich
ein bescheidenes Lagerleben.
Mittlerweile war es
Abend geworden. Wie immer um diese Jahreszeit war es noch taghell,
und innerhalb der Wagenburg versuchten die Menschen, sich an die neue
Situation zu gewöhnen. Vereinzelt hatten sie über offenem
Feuer Kochstellen eingerichtet. Aber in den Töpfen garte nichts
als Dinkelbrei. Vieles von ihren Nahrungsvorräten hatten die
Menschen in der Eile der Flucht zurücklassen müssen, um
nicht in die Hände der Slawen zu fallen. So sah man die meisten
von ihnen jetzt verbittert um die Feuerstellen herumsitzen, und in
ihren Mienen spiegelte sich die Angst vor der Zukunft.
Dietrich hatte sich
inzwischen in seine Behausung zurückgezogen und ließ sich
von der Haushälterin Karolina das Essen auftragen. Als er sich
eben gemütlich darüber hermachen wollte, ertönte
draußen vor dem Haus aufgeregtes Geschrei, das offenbar bei
einigen Mägden in Jammern überging. Er hörte aus all
dem Lärm Rolands Stimme heraus. Das verwunderte ihn, denn er
hatte dem Jungen erst kurze Zeit vorher befohlen, die Pferde zum
Tränken an den Fluß zu treiben, weil infolge der
Trockenheit der Hofbrunnen nur noch wenig Wasser hergab.
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