Die Klinge des Löwen 03
Wer nicht von einem
Langschild vor den unaufhörlich heranschwirrenden Pfeilen
geschützt wurde, hielt sich geduckt hinter den Mauerzinnen. Das
machte zwar die Zugarbeit für die Betroffenen mühsamer,
aber sie wußten, daß es um mehr ging, als um einen
schmerzenden Rücken. Gemeinsam zwangen sie den schwingenden
Rammklotz wie beim erstenmal in die Zugrichtung des Seiles, und durch
die Kraft von neun Mann gelang es erneut, den mächtigen Stamm in
immer stärkere seitliche Bewegung zu versetzen, so daß er
schließlich mit lautem Krachen gegen die Streben des Aufbaus
prallte.
Bald
begannen die Stützbalken der Katze zu zersplittern. In ihrem
Bauch verursachte die jetzt von fremden Kräften gelenkte Ramme
ein fürchterliches Zerstörungswerk. Das ganze Gestell
schien bereits aus den Fugen zu gehen. Ein Slawenkrieger, der mühsam
auf dem quer schwingenden Baumstamm Halt suchte, arbeitete sich mit
einem Beil zu dem verwünschten Haken vor, um das daran
befestigte Seil zu kappen. Aber noch ehe er den ersten Streich führen
konnte, stürzte er zu Boden, getroffen von einem Pfeil, den
einer der Bogner durch die Schießscharte des Torturms geschickt
hatte.
Aber
auch auf dem Wehrgang der Mauer forderte der unaufhörliche
Pfeilhagel unter Dietrichs Mannen die ersten Opfer. Zwei der
Bogenschützen stürzten tödlich getroffen, einer der
Hakenmänner hatte einen Pfeil im Schenkel stecken. Doch jetzt
kam Hilfe von der anderen Seite des Turmes. Giselbert hatte
begriffen, daß mit dem Rammbalken am Kanthaken Brücke und
Tor gerettet werden konnten. Zusammen mit fünf Kriegern und zwei
Knappen mit Pavesen erschien er auf Dietrichs Wehrgang. Damit standen
insgesamt fünf der großen Schilde als Deckung bereit,
hinter denen die wieder aufgefüllte Seilmannschaft ihr
Zerstörungswerk an der slawischen Belagerungsmaschine vollenden
konnte. Zusätzlich hagelten jetzt auch von der jenseitigen
Mauerseite Steinbrocken auf das Dach der Katze, das wegen des
ständigen Anpralls des Baumstammes gegen die Stützwerke an
zwei Stellen bereits aus seiner Verankerung gerissen war. Die
schweren Wurfgeschosse brachten Teile des gelockerten Daches zum
Einsturz. Die überlebenden Insassen der Katze suchten
fluchtartig das Weite, verfolgt von dem Siegesgeschrei ihrer Gegner
und dem Tuten der Hörner, die den Triumph der Verteidiger
verkündeten.
Nach
dieser Niederlage zogen sich die Slawen auf ihre Ausgangsstellung
zurück. Sie hatten an diesem Tag zweiundzwanzig Mann verloren,
die meisten davon durch Pfeile der gegnerischen Langbogenschützen.
Aber auch Dietrich hatte einige Opfer unter seinen Mannen zu
beklagen. Es waren zwar weitaus weniger als beim Feind, aber er
wußte, daß der Ausfall jedes einzelnen Kriegers für
die Burg viel schwerer wog, als bei den Slawen mit ihrer Übermacht.
Sie konnten gefallene Kämpfer mühelos ersetzen, während
für die Burg jeder tote oder schwerverletzte Waffenknecht ein
unersetzbarer Verlust war und die Burgmannschaft mehr und mehr
schwächte.
*
Draußen
im Lande sprach es sich allmählich herum, daß sich die
Ortenburg im Würgegriff eines slawischen Belagerungsringes
befand. Aber keiner der Edlen auf den noch freien Burgen, soweit sie
nicht sowieso zum Feind übergelaufen waren, wagte es, der
bedrängten Feste zu Hilfe zu eilen. Es lag wie eine Lähmung
über der Mortenau, obwohl alle wußten, daß der Fall
der Ortenburg mehr bedeutete als nur das Brechen einer weiteren Burg.
Sie war der Dreh- und Angelpunkt der Region. Von dort war der
Abwehrkampf gegen die fremden Eindringlinge ausgegangen; dort hatten
sich die Ritter und die zahlreichen Kriegsknechte gesammelt und waren
dem Feind entgegengezogen. Auch wenn der Kriegszug mit einer
Niederlage endete - dem Ruf der Ortenburg, der sichernde Riegel für
die Südhälfte der Region zu sein, tat dies keinen Abbruch.
Denn in der öffentlichen Meinung hatte sich der Gedanke
gefestigt, daß trotz des Todes von Graf Max die Ortenburg bei
Dietrich als Lehensträger in guten Händen sei. Seine
intelligenten Ansichten und sein Verhalten in der Schlacht gegen das
Slawenheer, sein mutiger Auftritt während des Gottesgerichts und
dort vor allem sein kühl abwägender Verstand, der ihn auch
in bedrohlicher Situation nicht verließ, hatten ihm auch bei
kritischen Edlen Respekt verschafft. Sie alle wußten, daß
es allein die von ihm verwaltete Ortenburg war, die als letzte
Bastion das Slawenheer zu binden vermochte und es so daran hinderte,
ungefährdet in die Region König
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