Die Klinge des Löwen 03
verblüffter
Miene an. "Brav, Knappe, du denkst mit! Sag' es auch den Leuten
unten und zieh den nächsten Eimer hoch!"
Während
Roland über das versteckte Lob rot anlief, leerte Dietrich
seinen Eimer zur Hälfte auf das Dach, und mit dem derart
erleichterten Gefäß konnte er sich nun ohne große
Mühe auf dem Bauch weiterbewegen. Er kam dem Brandherd nahe
genug, um das restliche Wasser auf die Schindeln zu schütten.
Befriedigt sah er, wie es über die Außenseite des Daches
hinunterfloß und ein Teil der Flammen zischend erlosch.
Rückwärts kriechend, ließ er sich einen neuen, jetzt
nur noch halbvollen Wassereimer reichen und wiederholte die Prozedur.
Auf diese Weise gelang es ihm, auch die restlichen Flammen zu
ersticken. Doch inzwischen hatten die slawischen Bogner ihn entdeckt
und begannen abermals, mit Brandpfeilen den Turm zu beschießen.
Dietrich
zog sich schleunigst auf die Rückseite des Daches zurück.
Dabei fiel sein Blick auf die eigenen Schützen, die wie gebannt
hinter den Zinnen lagen und mit offenem Mund zusahen, wie er sich in
der luftigen Höhe abmühte, das Turmdach zu retten.
"Menschenskind,
was glotzt ihr wie die Gähnaffen*?" rief er erbost.
"Versucht gefälligst, den slawischen Brandstiftern das
Handwerk zu legen, aber hurtig!"
*[ Gähnaffe
(später auch Maulaffe genannt): Halter für Kienspäne
mit menschlichem Gesicht und offenem Maul, in das der brennende
Kienspan gesteckt wurde. ]
Der
scharfe Befehl wirkte. Die Männer besannen sich auf die
Reichweite und die Durchschlagskraft ihrer Langbogen, sprangen auf,
und bald pfiffen ihre Pfeile den feindlichen Feuerschützen ein
tödliches Lied. Zwar dauerte es nur kurze Zeit, während der
einige slawische Bogner getroffen zu Boden sanken, dann hatte deren
gesamte Abteilung die neue Lage begriffen und reagierte. Abermals
wurden die Verteidiger mit Schwärmen von Pfeilen eingedeckt und
wieder in die Deckung zurückgetrieben; für Dietrich jedoch
hatte die Zeit gereicht, um noch mehrere Eimer Wasser auf das
gefährdete Dach zu entleeren, so daß Brandpfeile für
eine Weile die Schindeln nicht zu entzünden vermochten.
Während
er nach diesem ebenso feuchten wie gefährlichen Geschäft
ziemlich durchnäßt von der Leiter stieg, schienen sich vor
der Burg die feindlichen Kräfte zu einem neuen Angriff zu
sammeln. Er fand keine Zeit, die Kleidung zu wechseln, sondern begab
sich, naß, wie er war, zurück in den Torturm. Von draußen
trug der leichte Wind den anschwellenden Lärm der Slawen an sein
Ohr.
Als
er den Wehrgang betrat, sah er, daß der Sturmbock wieder dicht
vor dem Tor stand und bereits vor und zurück schwang. Die am
Vortag von den Slawen zurückgelassenen, halb verkohlten
Schirmdächer waren durch die Stöße des Baumstammes
schon zertrümmert. Nur noch wenige Handbreit fehlten, bis der
eiserne Kopf der Ramme die hochgezogene Brücke erreicht haben
würde. Dietrich wandte sich seinen Mannen zu. Sei Blick fiel auf
die Knappen mit den Langschilden, die ängstlich dahinter
hervorlugten und auf den arbeitenden Rammbock starrten.
"Was
steht ihr da wie Murmeltiere", herrschte er sie wutentbrannt an.
"Deckt meine Kriegsleute! Der Hakenmann vor - kralle dein Eisen
in den Baumstamm, bevor sie uns die Brücke zerschmettern!"
Das
war leichter gesagt, als getan, denn Wolken von Pfeilen sirrten heran
und prasselten gegen gehobene Schilde und gegen die Mauern. Auch der
Hakenmann zögerte, sich in den gewaltigen Beschuß zu
wagen. Ergrimmt riß Dietrich ihm das Eisen aus der Hand und
rief dem zunächststehenden Knappen zu: "Decke mich, aber
halte den Schild schräg, daß ich ausholen kann!"
Der
Junge sah ihn groß an und fragte in kläglichem Ton: "Wie
soll ich das machen, Herr?"
Dietrich
bezähmte seinen Zorn und erklärte in ruhigerem Ton: "Stell
dich hier in das Zinnenfenster, halte den Schild so weit hinaus, daß
er dich und mich noch deckt. Aber halte ihn schräg, damit ich
das Seil mit dem Haken schwingen kann. Auf jetzt, es eilt!"
Zum
Glück begriff der Knappe, was er zu tun hatte. Dietrich konnte
kurz darauf im Schutz der Pavese den am Seil hängenden Haken in
Schwung versetzen. Er ließ ihn in dem Moment fliegen, als der
Baumstamm aus der Katze herausstieß. Aber erst beim dritten
Versuch biß sich der Haken im Holz der Ramme fest, deren
Eisenkopf bereits die Brückenbalken berührte.
"Alle
Mann ans Seil", schrie Dietrich, "auch die Bogner! Die
Knappen decken die Zinnenfenster!"
Gemeinsam
zerrten und zogen sie - der Haken hielt!
Weitere Kostenlose Bücher