Die Klinge des Löwen 03
schleudern. Besonders der Schild,
der voll sichtbar die Zinnenlücke für die Hakenmänner
deckte, wurde zum Ziel der mit Wucht geschleuderten Speere. Durch den
Anprall mehrerer der starken Wurfgeschosse geriet der Knappe, der die
Pavese hielt, ins Wanken, ließ seinen Schild los, der über
den Wehrgang hinaus auf die Erde stürzte, und kroch zitternd
hinter die nächste Zinne. Durch die jetzt freie Schußbahn
schwirrten im selben Augenblick mehrere Pfeile und streckten einen
der Hakenmänner nieder.
"Laßt
das Seil los!" rief Dietrich den anderen zu. "Schafft den
Verwundeten in den Turm!"
"Das
Dach brennt!" rief in diesem Augenblick einer der Knappen.
Dietrich wandte sich um und sah nach oben. Auf dem geschindelten
Turmdach steckten zwei Brandpfeile, um die herum bereits kleine
Flammen züngelten.
"Das
fehlt uns noch!" murmelte er, sprang ungeachtet der Gefahr auf
und stürzte in den Turm, wo sich außer zwei Bogenschützen
mehrere Kriegsknechte aufhielten. Er ließ Giselbert rufen, der
auf der anderen Seite die Verteidigung des Tores leitete. Mit ihm,
Roland und zwei weiteren Kriegsknechten hastete er nach draußen
in den Zwinger. Ein Blick nach oben zeigte ihm, daß das Feuer
auf dem Turmdach mehr schwelte, als brannte.
"Zwei
lange Leitern her", befahl Dietrich den anderen. "Bringt
ein paar Eimer voll Wasser und zwei Seile mit. Einige Knechte sollen
euch helfen. Rasch, bevor das Feuer richtig aufflammt!"
Inzwischen
schien sich auf seiten der Slawen eine gewisse Ratlosigkeit
eingeschlichen zu haben. Der Sturmbock stand unbeweglich mehrere
Schritte vom Tor entfernt. Die Krieger in der Katze berieten
offenbar, wie sie weitermachen sollten. Indessen standen die
slawischen Bogner untätig herum und sparten ihre Pfeile, weil
sich keine geeigneten Ziele auf der Mauer zeigten. Die Speerkämpfer
hatten sich in den Hintergrund zurückgezogen, und der Mann mit
dem Silberhelm war von der Bildfläche verschwunden. Die
scheinbare Unschlüssigkeit des feindlichen Heeres erweckte bei
den Belagerten den Eindruck, als sei der Angriff völlig ins
Stocken geraten.
Dieser
Anblick bot sich auch Dietrich, als er eine der beiden Leitern
erkletterte, die seine Männer an die Zwingerseite des Turmes
gestellt hatten. Neben ihm, auf der zweiten Leiter, stieg sein Knappe
Roland empor, wobei der Junge ein Seil mit sich zog, während
sein Herr einen vollen Wassereimer trug. Unten hielten zwei Mann die
Leitern fest, die nicht ganz bis zum Dachrand des Turmes reichten.
Als
beide oben angelangt waren, verhielt Roland auf der drittletzten
Sprosse, band das mitgeführte Seil locker an einen der beiden
Leiterholme und übernahm den Wassereimer. Dietrich, der nun die
Hände frei hatte, schob sich Sprosse um Sprosse zu dem nicht
sehr steilen Dach empor, das kaum vorsprang. Schließlich lösten
sich seine Füße von der letzten Stütze. Auf dem Bauch
liegend, kroch er ein Stück weit über die Holzschindeln in
Richtung des Brandherdes. Dabei versuchte er, sich mit der Linken an
die Schindeln zu klammern, während er die Rechte ausstreckte, um
den Eimer in Empfang zu nehmen, den Roland ihm hinüberreichte.
Das gelang jedoch erst, als Dietrich wieder ein Stück
zurückrutschte, bis er mit einem Fuß wieder die oberste
Sprosse seiner Leiter ertastet und so einen halbwegs sicheren Stand
hatte.
Als
er aber jetzt versuchte, sich samt dem vollen Eimer erneut zum
Brandherd vorzuschieben, trieb ihm der Westwind den dicken Qualm des
Schwelbrandes in die Augen. Damit nicht genug, war es ihm fast
unmöglich, sich mit dem schweren Wassergefäß zu dem
Feuer vorzuarbeiten. Er wußte, daß er sich nicht
aufrichten durfte, weil er sonst die slawischen Bogenschützen
auf sich aufmerksam machen und deren Pfeile auf sich ziehen würde.
Entnervt hielt er auf halbem Weg inne.
"Ei
Teufel, so geht es nicht", murmelte er ergrimmt.
Noch
hatte man beim Feind offenbar nicht bemerkt, was sich auf dem Dach
des Torturmes abspielte. Dietrich lag flach und reglos auf dessen
Rückseite und überlegte krampfhaft, welche Möglichkeit
es gab, so nahe an den Brandherd heranzukommen, daß er ihn
löschen konnte. Es wurde höchste Zeit, denn er sah, daß
die Flammen nun doch schon höher schlugen und ihr Umkreis sich
vergrößerte.
"Herr",
rief ihm Roland zu, der von der Leiter aus das gefährliche
Manöver seines Ritters angespannt verfolgte. "Schüttet
doch die Hälfte des Wassers aus, dann habt Ihr es leichter!"
Dietrich
wandte erstaunt den Kopf und starrte den Jungen mit
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